Junckers Rede zur Lage der Union

Ich hatte die Ehre, vergangenen Mittwoch im Europa Club der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik zu Jean-Claude Junckers Rede zur Lage der Union zu diskutieren. Nachträglich noch ein paar Anmerkungen.

1.) Juncker ist kein emotionaler Redner, niemand, der mitreißt. Das ist auch in Ordnung so, wenn er sich darin versuchen würde, wäre es wohl nicht authentisch (man erinnere sich an Spindeleggers plötzlich „entdeckte“ Emotionalität im Zuge der Nationalratswahlen 2013 – sowas kommt eben nicht gut an). Ich bezweifle nur, dass er mit seiner ruhigen Art viele Menschen anspricht. Man hat überhaupt das Gefühl, dass Juncker sich primär an das Europäische Parlament richtet, nicht an die Bürger der Europäischen Union. Was sich auch daran zeigt, dass seine Rede in aller Früh (9h in Österreich) abgehalten wurde. In den USA spricht der Präsident in der Prime Time.

2.) Allerdings zeigt sich das auch in seiner Sprache: Juncker verharrt im Abstrakten, zeichnet mit seinen Worten keine Bilder, erzählt keine persönlichen Geschichten – weder von ihm, noch von Menschen, die er kennt/von denen er gehört hat. Die Rede ist nichts zum Anfassen, bietet keine Möglichkeit, einen emotionalen Konnex herzustellen. Sie mutet, ich traue mich das Wort kaum verwenden, technokratisch an. Solide, aber mechanisch – Metall versprüht eben nicht viel Wärme.

3.) Die wichtigsten Passagen waren Junckers scharfe Verurteilungen des Nationalismus, dem er einen positiven besetzten Patriotismus-Begriff entgegensetzt. Ein Verweis auf die niedrigeren Flüchtlings- und Migrationszahlen verbunden mit der Forderung, die Grenzen im Inneren zu beseitigen. Außerdem die Ankündigung, eine Partnerschaft mit Afrika (leider hat er von Afrika so gesprochen, als würde es sich um ein Land handeln oder als gäbe es eine mit der EU vergleichbare regionale Organisation):

I would like us to reject unhealthy nationalism and embrace enlightened patriotism. We should never forget that the patriotism of the 21st Century is two-fold: both European and national, with one not excluding the other. As the French philosopher Blaise Pascal said: I like things that go together. In order to stand on its own two feet, Europe must move forward as one. To love Europe, is to love its nations. To love your nation is to love Europe. Patriotism is a virtue. Unchecked nationalism is riddled with both poison and deceit. In short, we must remain true to ourselves.

4.)  Genauso wichtig, wie das, was Juncker angesprochen hat, ist das, was gefehlt hat: Kein Wort über die USA und Trumps Trade War, kein Wort über Russland, kein Wort über den Irandeal, nichts zur Lage in der Türkei, die Kämpfe in Idlib nur am Rande. Es ging primär wirklich um die Lage der Union – eine Union, die immer noch in erster Linie mit sich selbst beschäftigt zu sein scheint.

Ein Kommentar zu „Junckers Rede zur Lage der Union

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