Die beiden Präsidentschaftskandidaten werben offensiv mit dem Begriff der Heimat. Ein Appell an die Gefühle, der nach großen Worten trachtet.
Ich durfte bei einem netten kleinen Projekt mitmachen (Video am Ende des Beitrags), das sich mit Begriffen auseinandersetzt, die auf den Webseiten von Alexander Van der Bellen und Norbert Hofer gleichermaßen zirkulieren beziehungsweise von beiden ganz allgemein oft ins Spiel gebracht wurden. Einer davon ist jener der „Heimat“:Anlass genug für eine kleine Suada zu einem mittlerweile politisch aufgeladenen und entsprechend umkämpften Begriff.
„Home is where your heart is.“ Kann man Heimat ohne Plattitüden, ohne Gemeinplätze und Geschwurbel beschreiben? Zumal sie so ziemlich überall sein kann und jeder eine zumindest ungefähre Vorstellung davon hat?
Heimat meint etwas Höchstpersönliches, den Ursprung, die Wurzel, Orte der ersten einschneidenden Lebenserfahrungen. Das Tellurische, das manche zu Partisanen werden lässt liegt. Die im Hochsommer irgendwie schön-tristen Mauern der Stadt, in der man als Kind im Park gespielt hat. Die Volksschule, an der man von Zeit zu Zeit vorbeigeht. Das Kino, in dem man als Heranwachsender zum ersten Mal in Begleitung von jemandem des anderen Geschlechts einen Film angesehen hat ohne zu wissen, wie man sich verhalten soll. Das Zuckerlgeschäft oder der Eisladen in der Nähe der Schule, die es heute vermutlich nicht mehr gibt. Das Haus, in dem der erste „beste Freund“ oder die beste Freundin gewohnt hat, in einer Zeit, als man noch klar sagen konnte, wer das ist, mag es auch regelmäßige Wechsel gegeben haben. Das Bad, in dem man schwimmen gelernt hat, die Straße, auf der man radfahren gelernt hat.
Heimat bedeutet Einbettung. In soziale Netzwerke fernab des Digitalen. Wo Freunde oder die Familie besucht werden, wo ein gern frequentiertes Café liegt oder auch die Arbeitsstätte. Der Bus, die Straßenbahn, die U-Bahn mitsamt den dazugehörigen Stationen für Ein- und Ausstieg.
Heimat bietet sich gerade heute für (politische) Zweckentfremdungen an. Gefühle wollen bedient werden. Heimat will konserviert werden, niemand will sie verlieren.
Heimat meint das Kleine. Manche wollen einen ganzen Staat zu ihrer Heimat machen, gar einen Kontinent oder überhaupt die ganze Welt. Doch wer überall zuhause ist, ist nirgendwo beheimatet. Auch der größte Kosmopolit geht ohne Anker verloren.
Man sollte die Heimatlosen nicht vergessen; jene, die früh ent-heimatet oder überhaupt nie be-heimatet wurden. Die ein Leben lang suchen, aber nicht finden, weil sie es weder können noch so wirklich wollen. Die Suche ersetzt das Finden. Eine gewisse Zeit lang fremde Heimaten borgen oder an Vorstellungen klammern. In Familien und fremde Freundeskreise einnisten oder in Szenen und sonstige soziale Felder, ob Arbeit, Sportverein, politische Parteien und Kulturräume. Wie man es dreht, wie lange man auch rastlos umherwandert: Heimat kann auch stete Suche nach etwas bedeuten, das vielleicht gar nicht existiert.