Eine nicht allzu ernst zu nehmende Brandrede.
Es gibt wenig Schlimmeres als diese bemüht-stylishen, hypermodernen und oftmals kontra-intuitiven bis dysfunktionalen WC-Anlagen, die mittlerweile so einige traditionelle Caféhäuser durch die Hintertür verschandeln.
Schwer zu sagen, wann das begonnen hat. Es ist auch egal. Jedenfalls kann ich mich noch gut erinnern, als ich das erste Mal auf eines dieser WCs gestoßen bin (Namen und Orte werde ich übrigens keine nennen, das ginge dann doch zu weit und ich fürchte mich vor der Wut des Architekten ebenso wie vor einem Caféhausverbot).
Es fing schon beim Hereingehen an: Links oder rechts, welches Symbol steht für mein Geschlecht? Wieso sind da keine klassischen Symbole, Bilder oder einfach nur ein „Damen“ und „Herren“? Ist es der Versuch, mich zum Nachdenken über Geschlechterkonstruktionen zu bewegen? Wo stehen wir in der alten Anlage-Umwelt-Debatte? Wie verhält sich die Lektüre von Simone de Beauvoir zu neueren neurologischen Erkenntnissen?
Die Verwirrung hält drinnen natürlich an. Wieso ist die WC-Tür durchsichtig, solange sie nicht zugesperrt ist? Woher weiß ich mit Sicherheit, dass sie dann nicht mehr durchsichtig und von außen einsehbar ist? Warum sind da überall Spiegel? Wieso muss ich mich in einem derart intimen Moment ständig ansehen und dabei fühlen wie in einer ins absurde Theater reichenden modernen Version von Oscar Wildes The Picture of Dorian Gray? Oder in einem Toiletten-Panopticon? Müssen Bentham, Foucault und Byung-Chul Han mich auch hierher begleiten?
Damit freilich noch nicht genug. Auch das Händewaschen gerät zum Spießrutenlauf. Wie bekomme ich Wasser aus dem Hahn? Innenarchitekten dürften irgendwann eine Phobie gegen Berührungen haben. Oder auch einfach nur Althergebrachtes? Hauptsache anders?
Nicht jeder Sensor reagiert. Manchmal gibt es auch gar keinen Sensor, sondern zwei Pedale unter dem Waschbecken. Oder der Sensor funktioniert nicht richtig. Beim Seifenspender muss man dafür wiederum oft genug erst wieder old school alles angreifen oder umgekehrt gibt es nur einen Sensor für den Seifenspender: Entscheidet euch, Sensor oder kein Sensor, Berührung oder keine Berührung?
Ich weiß wirklich nicht, woher dieser Toilettenwahnsinn kommt. Wieso sich die Betreiber klassischer Caféhäuser derartige WC-Anlagen, die obendrein überhaupt nicht zum Rest passen, einreden lassen. Vielleicht leiden viele Architekten an ihren unerfüllten Träumen. Weil es einfach so viele begabte Architekturschaffende da draußen gibt und gleichzeitig gerade in Österreich nicht mehr viel zu ver- und bebauen da ist. Da bleibt nicht mehr viel Platz für Selbstverwirklichung: Sie wollten Stars werden, monumentale Bauten errichten, den Architekturdiskurs prägen und endeten mit WC-Anlagen. Ein Schicksal, das in abgewandelter Form übrigens auch für unzählige Absolventen anderer Fach- und Studienrichtungen gilt. Des einen WC ist des anderen Blog.