Kein Karma in Videospielen

Videospiele haben sich ziemlich verändert in den letzten Jahrzehnten. Wo man früher mit Super Mario von links nach rechts gelaufen ist gibt es heute hyperkomplexe Welten und cineastische Elemente, wobei man den Gang der Handlung selbst gestalten kann. Videospielhersteller können das Welt- und Menschenbild folglich mitprägen. Videospiele als Charakterschule?

Die zwölfjährige Version von mir hätte sich nicht gedacht, dass ich eines Tages keine Videospiele mehr spielen würde. Irgendwann habe ich damit aufgehört, gar nicht bewusst, es ist mehr oder minder passiert. Zuerst nicht mehr alleine gespielt und irgendwann sind auch die FIFA (oder Pro Evolution Soccer-)-Abende mit „den Homies“ weniger geworden. Man hat ja generell weniger Zeit (oder nimmt sie sich schlichtweg nicht mehr).

Dennoch sind Videospiele nicht vollständig verschwunden. Man hat ja Freunde und manche von ihnen sind nach wie vor dabei. So bekommt man zwar nicht alles, aber doch ein wenig von dem mit, was sich in diesem Bereich so tut und getan hat. Dass Menschen anderen Menschen online beim Videospielen zusehen. Dass es richtige quasi-Sportveranstaltungen und Weltmeisterschaften gibt, inklusive Kommentatoren und Analysten, ganz wie man es etwa von Fußballspielen kennt. Die Realität rund um die Virtualität von Videospielen wirkt bisweilen gar surreal.

Die Spiele haben sich gewandelt, das Gameplay hat die alten jump’n’runs, also mit Supermario von links nach rechts laufen/springen in die Steinzeit verfrachtet. Die Welt ist schon lange nicht mehr zweidimensional (Tomb Raider war anno dazumal revolutionär), sie scheint nicht enden wollend, wobei der Spieler keiner streng vorgegebenen Struktur folgt, sondern direkten Einfluss auf den Spielverlauf hat.

Damit bieten Videospiel Fluchtmöglichkeiten in Parallelwelten. Nicht, dass es dort unbedingt schön sein muss. Bisweilen wimmelt es hier nur so vor Orks und überhaupt allen möglichen Gestalten, die einem aus Herr der Ringe bekannt vorkommen (Fantasy-Spiele haben ja doch so ihre Ähnlichkeiten). Aber es ist eben doch eine andere Welt, das alleine kann schon ausreichen.

Aus der weiten Einflussmöglichkeit des Spielers kann obendrein gar ein erzieherischer Effekt folgen. Wenn man in Spielen wie „The Witcher“ Menschen erpressen oder Häuser plündern kann und gar soll, wird ein gewisses Menschenbild forciert: Du musst ein Schwein sein in dieser Welt haben die Prinzen back in the days gesungen. Das gilt oftmals also auch im Virtuellen. So gesehen tragen Videospielhersteller auch eine über die alte Streitfrage zum psychologischen Effekt von Ego-Shootern und Amokläufen hinausgehende moralische Verantwortung.

Denn im virtuellen Raum besteht oft nur wenig Platz für Naivität oder auch einfach nur guten Willen. Man möchte bisweilen ja daran glauben, dass es zwar nicht unbedingt Karma geben muss (letztlich wohl einer ein Konzept, um die Illusion von transzendentaler Gerechtigkeit – wenn nicht hic et nunc, dann wenigstens im nächsten Leben – und damit Hoffnung zu geben). Wohl aber daran, dass Menschen, die Gutes tun, auch eher Gutes widerfahren wird. „Do good things and good things will happen to you“ heißt es unter anderem in der für ihr frühes und überraschendes Aus viel zu guten US-Serie My Name is Earl. Eine ganz simple Formel eigentlich: Wer nett ist, wird eher an nette Menschen geraten, wer nicht, von dem werden sie sich eher abwenden. Möchte man zumindest meinen.

Gerade Videospiele, die es einem offenlassen, wie man mit seinem Umfeld umgeht, können somit einen quasi-erzieherischen Effekt haben (ob und wie sehr das altersabhängig ist steht freilich auf einem anderen Blatt). Sie können als Abbild des Realen wahrgenommen werden. Darum ist es durchaus bedeutsam, wenn die Spielstrategie darauf aufbaut, dass man sich tendenziell rücksichtslos und egostisch verhalten muss um Erfolg zu haben. Der Spieler bekommt ein (Videospiel-)Weltbild vermittelt, von dem durchaus eine starke Wirkung ausgehen kann. Beim einen mehr, beim anderen durchaus weniger. Vielleicht braucht es mehr Hippiespiele bei denen man am Ende nur gewinnt, wenn man zu seinen virtuellen Mitmenschen durchwegs nett war. Sofern sie gespielt werden würden. Die graphisch fast schon unangenehm realistischen Ego-Shooter, bei denen man diverse tatsächliche und fiktive Kriege (nach-)spielt dürften wohl doch mehr Reiz haben.

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