China und Taiwan

Chinas Staatspräsident Xi Jinping hat die Wiedervereinigung Taiwans mit China gefordert. Die Anwendung kriegerischer Mittel wollte er dabei nicht ausschließen. Ein paar völkerrechtliche Anmerkungen zum Status Taiwans und der Frage, ob China Gewalt anwenden dürfte.

Die Beziehungen zwischen China und Taiwan sind eines der klassischen Themen des Völkerrechts. Wie man sich wohl denken kann ist die Sache recht komplex. Nachfolgend sollen daher folgende Fragen kurz beantwortet werden:

  • Wie ist die Situation entstanden?
  • Wer darf China vertreten?
  • Wie ist Taiwan völkerrechtlich einzuordnen?
  • Dürfte China Taiwan gewaltsam unter seine Kontrolle bringen?

Geschichtlicher Hintergrund

Die chinesische Trennungsgeschichte geht auf den Bürgerkrieg zwischen den Nationalisten (Kuomintang) und den Kommunisten zurück, der sich über die Jahre 1927-1937 und 1945-1949 erstreckte (dazwischen lag außerdem der chinesisch-japanische Krieg). Nach Ende des Krieges kontrollierten die Kommunisten das „Hauptland“ (mainland china), während die Kuomintang sich auf Taiwan zurückziehen mussten. Xi Jinping tätigte die eingangs erwähnten Aussagen übrigens im Hinblick auf diesen 70. Jahrestag.

Allerdings wurden die Kuomintang von den meisten westlichen Staaten weiterhin als die Regierung Chinas (ganz Chinas) angesehen. Auch die Vertretung bei den Vereinten Nationen ging erst im Oktober 1971 auf die Kommunisten über (Resolution 2758, auch Österreich hatte damals dafür gestimmt). Erst ab dann begannen die westlichen Länder, die kommunistische Regierung anzuerkennen (bei den USA war es am 1. Jänner 1979 so weit, wenig später wurde die US-Botschaft in der taiwanesischen Hauptstadt Taipei geschlossen bzw eine Botschaft in Peking eröffnet).

Was ist Taiwan?

Taiwan entzieht sich bis heute der Kontrolle Chinas. Formell gesehen erfüllt es durchaus die Kriterien eines Staates (Souveränität, Staatsgebiet und Staatsvolk). Allerdings hat es – nicht zuletzt aus Sorge vor einem chinesischen Einmarsch – nie seine Unabhängigkeit ausgerufen, sondern lediglich seine Autonomie betont und zu festigen versucht.

Aus chinesischer Sicht ist Taiwan lediglich eine chinesische Provinz. Ihr zufolge hat die taiwanesische Regierung jeglichen Vertretungsanspruch bereits 1949 verloren. Wer mit China diplomatische Beziehungen unterhalten will, darf Taiwan bzw. seine Regierung folglich nicht anerkennen.

De-facto-Regime

Insofern liegt eine seltene völkerrechtliche Konstellation vor: China ist ein geteiltes Land, vergleichbar mit Deutschland bis zur Wiedervereinigung oder Nord- und Südkorea.

Obwohl Taiwan von mittlerweile nur noch 17 Staaten anerkannt wird, ist es außenpolitisch nicht völlig isoliert. Die USA sprechen beispielsweise von einer „robusten inoffiziellen Beziehung„, Österreich ist mit einem „Büro“ vor Ort und betont, keine wie auch immer gearteten diplomatischen Beziehungen zu unterhalten. Außerdem ist es ein WTO-Mitglied (allerdings nicht als Staat, sondern als „gesondertes Zollgebiet“ (Artikel XII WTO-Übereinkommen).

Gleichzeitig ist Taiwan schon lange faktisch unabhängig. Damit lässt es sich als „de-facto-Regime“ einordnen. Von einem solchen spricht man, wenn ein Gebilde formell alle Kriterien der Staatlichkeit zu erfüllen scheint und dennoch von keinem (oder nur wenigen) Staat anerkannt wird. Auch wenn ein de-facto-Regime nicht dieselben Rechte wie Staaten genießt, kann es jedenfalls inoffizielle Kontakte zu anderen Staaten pflegen. Ebenso gilt der Schutz des Gewaltverbots.

Warum China Taiwan nicht angreifen dürfte

Deswegen dürfte China Taiwan auch nicht gewaltsam (wieder)eingliedern. Zwar ist die Bekämpfung von (gewaltsamen) Sezessionsbestrebungen legitim. Im Falle Taiwans ist mittlerweile allerdings zu viel Zeit vergangen. Außerdem handelt es sich wie gesagt um keine Sezession, weil Taiwan zu nie seine Unabhängigkeit erklärt hat.

Zeit für Sorgen

China sieht die Sache naturgemäß anders. Zwar hat Xi Jinping zwar betont, dass Chinesen keine Chinesen angreifen. Gleichzeitig konnte und wollte er wie gesagt die Gewaltanwendung zwecks Wiedervereinigung nicht ausschließen. Aus seiner (bzw der allgemein-chinesischen) Sicht handelt es sich um eine innenpolitische Angelegenheit, die keinen Staat etwas angeht.

Und die USA?

Womit wir bei den USA wären. Diese hatten im Zuge der Anerkennung des kommunistischen Chinas 1979 ein Gesetz verabschiedet, das auch die Unterstützung Taiwans bei der Aufrechterhaltung seiner Fähigkeit zur Selbstverteidigung ebenso beinhaltet wie eine US-amerikanische Beistandspflicht:

It is the policy of the United States […]

2. to declare that peace and stability in the area are in the political, security, and economic interests of the United States, and are matters of international concern;

3. to make clear that the United States decision to establish diplomatic relations with the People’s Republic of China rests upon the expectation that the future of Taiwan will be determined by peaceful means;

4. to consider any effort to determine the future of Taiwan by other than peaceful means, including by boycotts or embargoes, a threat to the peace and security of the Western Pacific area and of grave concern to the United States;

5. to provide Taiwan with arms of a defensive character; and

6. to maintain the capacity of the United States to resist any resort to force or other forms of coercion that would jeopardize the security, or the social or economic system, of the people on Taiwan.

Grund genug, sich Sorgen zu machen, Wenn China Taiwan angreifen sollte, wären die USA zumindest theoretisch auch involviert. Es riecht ein wenig nach Schlafwandlerei.

 

2 Kommentare zu „China und Taiwan

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