Der Schlussantrag von Generalanwalt Wahl zur österreichischen Klage gegen Deutschlands PKW-Maut ist – wie einige bemerkt haben – teils recht unorthodox. Neue Maßstäbe hat er damit jedoch nicht gesetzt.
Worum geht es? Als österreichischer Jurist ist man teilweise recht sperrige OGH-Urteile oder VfGH-Entscheidungen gewöhnt. Beziehungsweise neigt das Deutsche allgemein zu präzisen, aber dafür umso lebloseren Formulierungen.
Das ist nicht in allen Rechtstraditionen so. Abgesehen davon sind Schlussanträge von Generalanwälten des Gerichtshof der Europäischen Union im Gutachterstil formuliert: es bleibt also mehr Spielraum für Kreativität und auch politische Seitenhiebe. Diesen Spielraum hat Generalanwalt Wahl genutzt, so etwa gleich zu Beginn oder auch an späteren Stellen:
1. Du sollst nicht diskriminieren.
2. Wäre es möglich, den gesamten Bestand des Unionsrechts in wenigen Geboten zusammenzufassen, wäre das Diskriminierungsverbot, insbesondere das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit, wahrscheinlich eines der ersten. …
66. Die österreichische Regierung hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, sie habe nicht bestritten, dass die Einführung einer Infrastrukturabgabe durch eine Senkung der Kraftfahrzeugsteuer „kompensiert“ werden könne(24). Als sie vom Gerichtshof gebeten wurde, die möglichen Steuerermäßigungen zu erläutern, die ihrer Ansicht nach annehmbar seien, hatte diese Regierung jedoch Schwierigkeiten, eine klare Antwort zu geben: Mit einem gewissen Zögern erklärte sie, dass eine für alle Steuerpflichtigen gleichmäßige Senkung der Steuer (in Prozent oder in einem Festbetrag) grundsätzlich rechtmäßig sein dürfte. …
70. In diesem Zusammenhang ist es unerheblich, dass einige deutsche Politiker in einer Wahlkampagne offen erklärten, dass sie beabsichtigten, für ausländische Reisende auf deutschen Autobahnen eine Abgabe einzuführen. Diese Aussagen sind wohl – in Abwandlung eines bekannten Zitats – Ausdruck eines Gespensts, das seit einigen Jahren in Europa umgeht: das Gespenst des Populismus und des Souveränismus(25).
Das ist zwar nicht unbedingt gängige Praxis, aber auch kein Dammbruch. So hat mich Kollegin Radlgruber (ehemals Universität Graz) auf einen Schlussantrag von Generalanwältin Juliane Kokott hingewiesen, die sogar so weit ging, mal eben auf Pippi Langstrumpf zu verweisen (siehe hier, Fußnote 5). Janos Böszörmenyi wiederum auf einen, in dem Generalanwalt Bobek Star Wars genannt hat (Rz 89).