Eine gambianische Einladung

Einige Stunden nach dem Adama Barrow als neuer Präsident Gambias angelobt wurde sind senegalesische Truppen in Gambia einmarschiert um seinen Amtsantritt umzusetzen beziehungsweise zu garantieren. Wie ist das völkerrechtlich zu beurteilen?

Die Basics

Das Allgemeine zuerst: Grundsätzlich gilt das Gewaltverbot, die einzigen allgemein anerkannten Möglichkeiten in einem Land militärisch zu intervenieren sind das Selbstverteidigungsrecht (im Zusammenhang mit Gambia jedenfalls nicht gegeben) und eine Autorisierung des Sicherheitsrats, die jedoch nicht vorliegt. Zwar hat der Sicherheitsrat eine Resolution erlassen, sie enthält nicht die berühmte „all necessary means“-Wortformel (die in der Praxis die Gewaltanwendung meint). Ein entsprechender Passus wurde auf Drängen Russlands, Ägyptens und Boliviens entfernt und durch einen Verweis darauf, in erster Linie „friedliche politische Mittel“ zu ergreifen, ersetzt.

Intervention auf Einladung

Außerdem darf Gewalt angewendet werden, wenn das Einverständnis der rechtmäßigen Regierung vorliegt. Streng genommen handelt es sich hier um keine Ausnahme vom Gewaltverbot, es wird vielmehr gar nicht erst berührt. Dennoch ist diese Rechtsgrundlage missbrauchsanfällig: Einerseits kann sich die Frage stellen, wer als Regierung gilt beziehungsweise eine entsprechende Kompetenz innehat oder ob überhaupt eine Einladung vorliegt (so haben sich beispielsweise die USA in Grenada 1983 unter anderem auf eine Einladung von einem jedenfalls nicht dazu befugten Organ berufen).

In Gambia hat der Sicherheitsrat die Sache jedoch klargestellt, indem er Barrow als rechtmäßiges Staatsoberhaupt anerkennt und Yahya Jammeh zum Rücktritt aufruft. Dementsprechend haben auch der russische und der britische Vertreter im Sicherheitsrat die Möglichkeit Barrows betont, um Unterstützung zu bitten (gemeint ist damit letzten Endes die Economic Community Of West African States (ECOWAS)).

Was ist neu?

Gänzlich neu ist eine derartige Praxis nicht. Der Sicherheitsrat hat bereits in Haiti 1994 klar zur Anerkennung beziehungsweise Nicht-Anerkennung einer Regierung (in dem Fall der durch einen Putsch an die Macht gekommenen Militärjunta) Stellung bezogen und später, nach erfolglosen Verhandlungen, sogar die Gewaltanwendung autorisiert. Eine derartige Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines Staates verstößt nach heutiger Auffassung auch nicht gegen Artikel 2(7) der UN Charter.

Neu daran ist jedoch, dass ein Präsident unmittelbar nach Angelobung um Unterstützung von außen ansucht (wenn jemand einen solchen Fall kennt, bitte mitteilen; Kongo 1960 zählt insofern nicht, als hier der Staat als solcher gerade erst unabhängig geworden war) und sie auch erhält. Eine Parallele besteht zur US-Invasion in Panama, bei der der gewählte Präsident Guillermo Endara sein Einverständnis gegeben haben soll; allerdings war er zu diesem Zeitpunkt noch nicht angelobt beziehungsweise hatte er keine effektive Kontrolle, die USA wurden von der Staatengemeinschaft entsprechend scharf kritisiert.

Das Recht auf Demokratie und ihre (Wieder-)Herstellung

Dass die Intervention in Gambia auf allgemeine Akzeptanz zu stoßen scheint liegt insbesondere an der Sonderrolle der Demokratie im Völkerrecht: Schon 1997 hatte der damalige UN-Generalsekretär Kofi Annan nach dem Putsch in Sierra Leone festgehalten, dass der Sturz demokratisch-gewählter Regierungen nicht akzeptiert werde: „Increasingly across the world, it has become an established norm that military coups by self-appointed juntas against democratically-elected governments are simply not acceptable.“

Selbstredend wurde Annan von der geopolitischen Realität eingeholt (so wurde in Ägypten die erneute Machtübernahme durch das Militär hingenommen): Wie das aktuelle Beispiel Gambia zeigt, hat der Gedanke, Demokratien (wieder-)herzustellen allerdings nicht ausgedient.

 

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