Aus dem Archiv: Angela Merkel zur Leitkultur

Ich habe unlängst im aus dem Jahr 2006 stammenden Buch „Verfassung – Patriotismus – Leitkultur. Was unsere Gesellschaft zusammenhält“ geschmökert. Dabei bin ich auch auf einen Beitrag von Angela Merkel gestoßen. Aus heutiger Sicht sind ihre Zeilen interessanter als damals.

Anno dazumal führte Deutschland eine von Bassam Tibi angestoßene Debatte rund um Patriotismus, Integration, Identität und die große Frage einer Leitkultur. Dabei stellten sich ähnliche Fragen wie heute – was macht Deutschland aus, wie gelingt Integration –, nur eben mit vergleichsweise geringer Intensität. Die Flüchtlingskrise war noch weit weg, zentral war die Frage des richtigen Umgangs mit Deutschtürken.

Angela Merkel hat in besagtem Buch auch einen Beitrag verfasst. Sie war bereits Kanzlerin, dementsprechend diplomatisch-zurückhaltend ihre Formulierungen. Aus heutiger Sicht lesen einige Passagen sich jedoch ungleich interessanter:

So etwa, wenn man an ihre Aussage, wonach das Volk alle wären, die auf deutschem Gebiet leben, denkt: Damals schrieb sie noch Folgendes. „Und es reift die Erkenntnis, dass zu stabilen staatlichen Gemeinschaften sehr viel mehr gehört als nur eine räumliche Ansammlung von Menschen, mehr als nur die Erreichbarkeit unter der gleichen internationalen Vorwahl 00-49.

Ebenso erklärte Merkel die multikulturelle Gesellschaft für gescheitert: „Die falsche Alternative zur abgeschotteten Gesellschaft wäre dabei die multikulturelle Gesellschaft. Sie ist eine Utopie, eine gescheiterte zudem. In der Vorstellung vereingt sie Vielfalt mit der Harmonie, in der Wirklichkeit endet sie in Parallelgesellschaften und gegenseitigem Misstrauen. Integration ist keine Einbahnstraße, aber es muss schon sehr klar sein, in welche Richtung dieser Prozess im Grundsatz verläuft. Es darf keinen Zweifel daran geben, wer sich in welche Gesellschaft integrieren soll.“

Zuletzt ihre Aussage zur Einbürgerung, die sie heute wohl nicht mehr so schreiben würde?

„Ich glaube, dass es auch in unserem Land in Zukunft einen Patriotismus geben kann, der sich aus einer gewissen kulturellen Vielfalt speist. Aber: Ein gemeinsames Verantwortungsgefühl für dieses Land braucht es durchaus, ein Loyalitätsempfinden, ein klares Bekenntnis, Bürger dieser Nation sein zu wollen. Ich halte es deswegen für richtig, dass die Einbürgerung eher am Ende als am Anfang der jeweiligen individuellen Integrationsgeschichte steht.“

Fundstelle: Angela Merkels Beitrag  [kein Titel] in: Norbert Lammer (Hrsg.), Verfassung, Patriotismus, Leitkultur. Was unsere Gesellschaft zusammenhält (Bundeszentrale für politische Bildung 2006), 170

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