Dunkirk ist ein gelungener Kriegsfilm: Das liegt vor allem daran, was er weglässt und dass er mit etablierten Darstellungsmustern bricht.
Dunkirk ist mehr oder minder durchgehende Beklemmung. Von der Anfangsszene, in der Flugblätter den Soldaten in einer menschenleeren Strasse klarmachen, dass sie eingekesselt sind bis zum letzten Luftduell (zum Spoilen gibt es hier nicht wirklich was, keine Sorge). 1 3/4h Stress und Überlebenskampf.
Der Nazi, das ultimativ Böse
Eines überrascht: Im Gegensatz zu vielen anderen Filmen, die sich am Bild des ultimativ Bösen in Gestalt des Nazis regelrecht ergötzen, braucht Dunkirk den großen Teufel in SS- oder Wehrmachtuniform nicht. Kein Hans Landa aus Inglorious Basterds. Man sieht die Explosionen und die Flugzeuge, die sich phasenweise anhören wie die Luft zerschneidende Messer. Aber die drückende Stimmung rührt genau daher, dass der Nazi nicht zu nahe kommt – mehr noch, er braucht nicht einmal ein Gesicht.
Keine Heldenfigur, nirgends?
Außerdem baut er seine Handlung um keine zentrale Figur(en) auf. Heldenepen wie Homers Ilias, das Nibelungenlied und spätere Kriegsfilme bilden ja letztlich eine Antithese zur Kriegsrealität. Das Aufkommen der technisierten Konfrontation von Massenheeren, das in den beiden Weltkriegen seinen Gipfel erreicht hat, wurde mit dem Herausgreifen einzelner Charaktere ja entstellt. Von den 16 Millionen Amerikanern, die während des Zweiten Weltkriegs in den US-Streitkräften gedient haben, hat Hollywood sich einen James Ryan herausgepickt: Die Sole Survivor-Policy der USA als Reaktion auf das Massensterben, in der das Individuum nichts zählt. Eupehmistisch gesagt hinter das Kollektiv zurücktritt. Wenigstens ein Familienmitglied soll wohlbehalten zurückkehren können.
Auch ein John Rambo als Archetyp des Vietnam-Veteranen stellt den einzelnen wieder in jenes Rampenlicht, das ihm der sorglose Umgang mit den Leben unzähliger junger Männer in einem von vielen als sinnlos empfundenen Krieg fernab der eigenen geopolitischen Hemisphäre geraubt hatte.
Hier liegt eine zentrale Stärke von Dunkirk. Natürlich werden auch einige Einzelpersonen herausgegriffen. Es ist immer noch ein Film und keine dokumentarische Aufarbeitung. Man sieht zahlreiche junge Männer, die dem Krieg entkommen wollen – doch sie sind namenlos, ihre Biographie bleibt unbehandelt, ihre Familie wird nicht thematisiert oder gezeigt. In Dunkirk wird keine Nahebeziehung aufgebaut, kein Einblick in eine Persönlichkeit geboten, wie man sie aus anderen Kriegsfilmen kennt. Lediglich am Schluss wird angedeutet, dass ihre Heimat wartet. Auf überzeichnete Darstellungen ihrer nächsten und ihrer näheren Lebensumstände wird allerdings verzichtet: Man kann es sich ohnehin denken.