Der Anschluss und das (damalige) Völkerrecht

Am 12. März 1938 wurde Österreich Teil des Deutschen Reichs. Das hatte neben der politischen auch eine völkerrechtliche Dimension.

1.) Die Frage, ob Österreich aufgrund der Annexion untergegangen ist oder weiter fortbestand, war Gegenstand unzähliger Debatten. Argumente lassen sich für beide Positionen finden. Die überwiegende Mehrheit vertritt jedenfalls die Okkupationstheorie, Österreich war von 1938-1945 also „scheintot“ (vergleichbar mit den baltischen Staaten nach der Annexion durch die Sowjetunion bis zur Wiedererlangung ihrer Unabhängigkeit).

2.) Annexionen und Gewaltanwendung waren auch nach dem damaligen Völkerrecht verboten. Die Stimson-Doktrin (benannt nach dem US-Außenminister Henry Stimson und der US-Reaktion auf Japans Einmarsch in der Mandschurei) besagt sogar, dass Staaten Annexionen nicht anerkennen sollen (ein allgemein akzeptiertes Anerkennungsverbot bestand damals allerdings noch nicht). Theoretisch hätten die übrigen Mitglieder des Völkerbunds aufgrund von Artikel X der Völkerbundsatzung Österreich zur Hilfe kommen müssen.

Die Bundesmitglieder verpflichten sich, die Unversehrtheit des Gebiets und die bestehende politische Unabhängigkeit aller Bundesmitglieder zu achten und gegen jeden äußeren Angriff zu wahren.

3.) Mexiko hatte damals aus Sorge vor einer US-amerikanischen Invasion beim Völkerbund protestiert (es war aber nicht der einzige Staat; auch die Briten, Frankreich und die Sowjetunion haben protestiert; nur eben nicht im Rahmen des Völkerbunds). Damit sollte ein eindeutiges Zeichen für die Wahrung der territorialen Integrität gesetzt werden. Hier schließt sich der Kreis zur aktuellen Weltpolitik: Die Mächtigen haben die Waffen. Die schwachen Staaten nur das Recht.

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