Sie sind weniger geworden, die Facebook-Glückwünsche zum Geburtstag. Mehr Freunde, weniger Interaktion.
Facebook hat sich auch überdauert. Es ist here to stay, aber der Hype ist lange vorbei. In hiesigen Breiten jedenfalls. Das Persönliche ist weniger geworden beziehungsweise auf andere Plattformen umgezogen. Facebook ist aber immer noch ein Internet im Internet. Für Neuigkeiten oder Veranstaltungen, ab und an schreibt doch jemand einen Status. Und eben für Geburtstage (die schlechteste Ausrede, Geburtstage zu vergessen ist übrigens „ich wusste nicht, dass du Geburtstag hast, du bist ja nicht auf Facebook“).
Diese Facebook-Glückwüsche bringen einen Streifzug durch die eigene Biographie. Diverse Volksschulfreunde, die produktive Mitglieder der Gesellschaft geworden sind. Freunde, die mal richtige Freunde waren. Freunde, die eigentlich nie Freunde waren. Freunde, die glauben, Freunde zu sein. Freunde, von denen man glaubt, sie seien Freunde, während sie einen nicht für einen Freund halten. Menschen, mit denen man nur selten gesprochen hat – aber dafür die Art von Gespräch, bei denen man das Gefühl hat, sich gut zu kennen und zumindest ansatzweise verstanden zu werden. Während bei manchen Freunden bisweilen das unliebsame Gefühl aufkeimt, es mit Fremden zu tun zu haben, die man zufällig schon lange kennt ohne sie zu kennen. Wie den Hausarzt, zu dem man schon als Kind gegangen ist. Oder den Busfahrer im Dorf, der einen schon als Kind in die Schule geführt hat und mit dem man jahrelang nicht mehr austauscht als simple Grußformeln.
Es schreiben Menschen, die vor Jahren Teil einer größeren Urlaubsgruppe waren in der eben auch Freunde von Freunden mit gefahren sind. Danach oder währenddessen hat man sich eben geaddet, um einander nie wieder zu sehen. Was bleibt, ist virtueller Feinstaub.
Es beglückwünschen Menschen, die im selben Sommerkolleg waren, um dieselbe Sprache zu lernen. Als das letzte Mal so etwas wie Schulklassenfeeling aufgekommen ist. Schule, das bleibt ewig.
Die Ex-Freundin, die mittlerweile zwei Töchter hat, die mich erinnern, dass ich wahrlich kein junger Vater wäre. Und dass, obwohl ich nicht einmal in der Nähe bin, Vater zu werden. Vom „als Mann hat man eh Zeit“-Gerede habe ich jedenfalls noch nie etwas gehalten. Mir schmerzt jetzt schon der Rücken nach dem Aufstehen, wie soll ich mit 50 mit einem zehnjährigen Kind mithalten?
Es schreiben neue Bekanntschaften, die vielleicht jetzt schon eigentlich nicht mehr Teil meines Lebens sind. Manche enden von Anfang an als virtuelle Karteileiche im Facebookfeed. Das Leben der anderen.
Wer weiß, wie viele Menschen ich nie wieder sehen werde. Man erkennt das letzte Mal nur selten beim letzten Mal. Die Filmmusik spielt es bei den eigenen Lebensszenen erst im Nachhinein.
Es gibt Leute, die über den Pathos von Zeilen wie diesen eher schmunzeln. Das ist ok. Ich halte Pathos für eine Errungenschaft. Denn: Manchmal gibt es Menschen, die zumindest einen Bezug zu Zeilen von anderen herstellen können; das reicht mir dann auch schon wieder als Rechtfertigung.