Jeder hat schon eins gehört, kaum jemand will eins hören: Das Co-Referat, also die überlange Wortmeldung bei Diskussionsveranstaltungen. Woher kommt der Drang, einen ungebeten Spontanvortrag zu halten?
Den Ablauf von Diskussionsveranstaltungen kennt man ja. Erst reden die Experten (in der Regel werden mehrheitlich Männer eingeladen, manchmal nur Männer), dann darf das Publikum fragen stellen, im Anschluss gibt es ein wenig zu trinken, manchmal auch kleine Snacks.
Bei solchen Schauspielen in der Arena der Meinungen ist der Co-Referent* als Zaungast kaum wegzudenken. Denn er wird sich zu Wort melden. Meistens früh, den er kann es nicht erwarten. Weil er gehört werden will. Er will keine Frage stellen, oft nicht einmal pro forma.
Der Co-Referent hat viel gelesen zu einem Thema, er ist emotional, hat sich seine Meinung gebildet. Aber jetzt will er sie auch verbreiten, er braucht ein Publikum. Was bringt die Meinung, was bringt all das Wissen, wenn es niemand liest oder hört?
Also nützt der Co-Referent die kleine Bühne. Er hat brav ausgeharrt, brav die Podiumsdiskussion oder den Vortrag überdauert. Jetzt will er mit Aufmerksamkeit belohnt werden. Das Angelesene über das ihm in die Hand gedrückte Mikrophon ausspeien wie abgelaufene Frühstücksmilch. Vielleicht sitzt auf dem Podium ja auch ein Politiker oder Experte, dem er schon lange seine Meinung geigen möchte.
Digitale Plattformen reichen ihm nicht, oder nicht mehr. Er weiß ja nicht, ob es ein Gegenüber gibt. Der Kommentar auf Facebook, der Tweet unter dem Tweet verhallen nur allzu gern im digitalen Nirvana. Wir sind eine Gesellschaft der Meinungen. Jeder hat etwas zu sagen, aber nicht jeder findet Gehör.
Und deswegen gibt es den Co-Referenten. Er sucht kein Gehör, er nimmt es sich. Bis ihn der Moderator abdreht. Oder eben nicht.
*Der Co-Referent hat übrigens einen Cousin: Das ist der, der sich vor seiner Wortmeldung mindestens eine Minute vorstellt, um sich vorzustellen. Der Co-Referent neigt allerdings auch zu überlangen Selbstvorstellungen.