Der Nationalrat hat beschlossen, das König-Abdullah-Zentrum zu schließen. Dazu ist viel gesagt, aber noch nicht alles. Wie kündigt man ein Amtssitzabkommen? Verliert Österreich seinen guten Ruf als Sitzstaat? Was macht das Zentrum so besonders?
In Saudi-Arabien soll ein Teenager hingerichtet werden, weil er im Zuge des Arabischen Frühling mit gerade einmal 10 Jahren gegen die Regierung protestiert hatte. Die Liste Pilz/JETZT hat daraufhin einen Entschließungsantrag eingebracht, das von Österreich, Spanien und Saudi-Arabien betriebene König Abdullah-Zentrum in Wien zu schließen, der auch angenommen wurde. Konkret wird sowohl der Rücktritt vom Gründungsvertrag als auch des Amtssitzabkommens gefordert.
Das ist der Antrag, den der Nationalrat auf unsere Initiative hin beschlossen hat. Nur die ÖVP steht treu an der Seite der islamistischen Diktatur. Österreich hat heute international einen Maßstab gesetzt. Ich bin stolz auf dieses Parlament. pic.twitter.com/HaMJMAE77W
— Peter Pilz (@Peter_Pilz) 12. Juni 2019
Ausstieg klar geregelt
Rechtlich ist das – im Gegensatz zu anderen in Wien ansäßigen Organisationen wie der OPEC oder der UNO (siehe unten) – relativ einfach möglich, das Amtssitzabkommen sieht in Artikel 23 Abs 4 ausdrücklich vor, dass es „von jeder der beiden Parteien durch eine schriftliche Mitteilung gekündigt werden“ kann: „Es tritt sechs Monate nach dem Erhalt einer solchen Mitteilung außer Kraft.“ Ab diesem Zeitpunkt ist es also nicht mehr entsprechend geschützt, auch die Mitarbeiter verlieren ihren Sonderstatus (Privilegien und Immunitäten, Befreiung von Steuern und Zöllen, Unverletzlichkeit des Sitzes, also kein Zutritt für Behörden ohne Zustimmung des Generalsekretärs).
Ein Rücktritt aus dem Gründungsdokument, also dem Vertrag, mit dem das Zentrum als Internationale Organisation geschaffen wurde, braucht kein Einverständnis der übrigen Vertragsparteien. Die Frist beträgt nur drei Monate: Österreich würde also mindestens drei weitere Monate immer noch Sitzstaat des Zentrums bleiben.
Wien als Sitzstaat
Allerdings legt Artikel III des Gründungsdokuments ausdrücklich Wien als Sitz des Zentrums fest. Sobald Österreich zurücktritt, wäre es folglich als Nicht-Vertragspartei gebunden. Eine leicht absurde Situation, die dem pacta tertiis nec nocent nec prosunt-Grundsatz widerspräche: Verträge dürfen nicht zu Lasten dritter (also von Nicht-Vertragsparteien) gehen. Dass der Dritte (also Österreich) hier ursprünglich Vertragspartei war würde daran grundsätzlich nichts ändern.
Verlegen oder auflösen?
Jetzt bleiben zwei Möglichkeiten: Zum einen könnten Spanien und Saudi-Arabien den Vertrag entsprechen ändern und den Sitz verlegen. Zum anderen können sie sich gemeinsam mit Österreich darauf verständigen, das Zentrum ganz aufzulösen, den Gründungsvertrag also zu kündigen (Artikel XIX). Hier könnten in der Tat schwierige Verhandlungen warten.
Andere Internationale Organisationen
In Wien befindet sich eine Reihe weiterer Internationaler Organisationen. Etwaige Kündigungs- und Ausstiegsmöglichkeiten sind in den jeweiligen Amtssitzabkommen unterschiedlich geregelt. So beinhaltet das Amtssitzabkommen mit der OPEC beinhaltet soweit ich das überblicke keine eigene Ausstiegsklausel, Artikel 30 spricht lediglich vom gegenseitigen Einvernehmen über Änderungen. Die Amtssitzabkommen mit der UNO oder der OSZE brauchen gegenseitiges Einvernehmen (Artikel 57 beziehungsweise Abschnitt 45).
Eine einseitige Beendigungsmöglichkeit findet sich wiederum auch im Amtssitzabkommen mit der Internationalen Organisation für Migration oder der Europäischen Grundrechteagentur (Artikel 13).
Kurze Schlussbemerkungen
Der Nationalratsbeschluss zum König-Abdullah-Zentrum wurde nicht von allen Seiten goutiert. Von einer Schnellschussreaktion war die Rede, auch vom Schaden für den guten Ruf Österreichs als Sitzstaat Internationaler Organisationen. Der Generalsekretär sprach gar von einer „unglaublichen Heuchelei Österreichs.“ Schließlich sei das Zentrum keine saudische Institution, vielmehr beschäftige es sich Mitglieder aus 28 Ländern und habe sich als Vermittler in Konflikten verdient gemacht.
Zum Ruf als Sitzstaat sei darauf verwiesen, dass es sich alleine aufgrund der geringen Mitgliederzahl (3 Staaten) um eine äußerst kleine Internationale Organisation handelt. Insofern muss man es von größeren in Wien ansässigen Organisationen wie der OPEC, der UNO oder dem Sonderfall OSZE klar abgrenzen.
Österreichs Ruf als Sitzstaat
Es wäre zwar verkürzend, das Zentrum als eine Art verlängerten Arm Saudi-Arabiens zu sehen. Internationale Organisationen sind ihrem Wesen nach eigenständige (völkerrechtliche) Gebilde. Was nichts an der fundamentalen Bedeutung Saudi-Arabiens für das Zentrum ändert – womit das kleine Österreich mit der Schließung also in der Tat ein Zeichen setzen kann. Wie Saudi-Arabien letztendlich reagiert, bleibt allerdings offen. Im Extremfall setzt es sich für eine Verlegung der OPEC ein – was eine doch gar unerfreuliche Entwicklung wäre.