Fragen und Antworten zum globalen Migrationspakt

globaler migrationspakt

Seit einigen Tagen wird in Österreich, Deutschland und einigen anderen europäischen Ländern äußerst intensiv über den globalen Migrationspakt diskutiert. Daher ein paar (zusätzliche) Anmerkungen zum Inhalt und seiner rechtlichen Verbindlichkeit.

Rund um den globalen Migrationspakt ranken sich so einige Mythen und Missverständnisse, es gibt aber auch valide Kritikpunkte. Die Diskussion dreht sich um seine allgemeine rechtliche Bedeutung (siehe I.a-d) und seinen Inhalt (siehe II.a-d).

I.) Was ist der „Global Compact“ eigentlich?

a.) Der globale Migrationspakt ist kein Vertrag

Immer wieder – so etwa auch in der Stellungnahme von Heinz-Christian  Strache anlässlich des österreichischen Austritts – ist von „Unterzeichnung“, „Unterschrift“ oder „in Kraft treten“ die Rede. Also Begriffe, die man aus dem Vertragsrecht kennt.

Hier handelt es sich um ein Missverständnis, der globale Migrationspakt ist, auch wenn sein Name anderes suggeriert, kein Vertrag. Vielmehr handelt es sich, wie auch in der Präambel klargestellt wird, um „einen rechtlich nicht bindenden Kooperationsrahmen“ (hier geht es zur deutschen Version).

Daher gibt es beim globalen Migrationspakt auch keine Unterschriften oder Ratifikationen, er wird vielmehr im Beisein aller anwesenden Staatenvertreter feierlich angenommen (man spricht von einer Akklamation). Dabei wird es auch eine Plenardebatte geben, bei der die Möglichkeit besteht, kritische oder sonstige Stellungnahmen abzugeben (übrigens haben mich die unzähligen Aussagen von Politikern und Zeitungen, die allesamt von „unterzeichnen“ sprechen, so verwirrt, dass ich beim Schweizer Außenministerium – die Schweiz ist gemeinsam mit Mexiko Verhandlungsführer – nachgefragt habe: Dort wurde mir bestätigt, dass die Annahme per Akklamation erfolgt).

b.) Politische Absichtserklärungen sind keine rechtlichen Verpflichtungen

Zugleich kommt das Wort „verpflichten“ im Text 45 Mal vor, weitere 41 Mal ist von „Verpflichtung“ beziehungsweise von „Verpflichtungen“ die Rede (strg + f for the win).

Diese Passagen sind im Vergleich zu ähnlichen Dokumenten wie der Rio-Deklaration von 1992 oder der Stockholmer Erklärung von 1972, in der zumeist von „sollen“ (shall) die Rede ist, außerdem verhältnismäßig streng formuliert.

Dennoch muss man aufpassen. Es handelt sich letztlich um politische Verpflichtungen, keine Verbindlichkeiten im rechtlichen Sinne. Schon im April 2018 stellte der wissenschaftliche Dienst des Bundestags etwa fest, dass die deutsche Regierung „ein politisch, nicht jedoch rechtlich verbindliches Abkommen“  anstrebt.

Dieser Unterschied ist entscheidend: Wenn ein Staat sich nicht an seine Absichtserklärungen hält, passiert auf internationaler Ebene wenig bis gar nichts. Kein anderer Staat kann ihre Einhaltung einfordern oder weitergehende Maßnahmen setzen (etwa Sanktionen verhängen). Das gilt umso mehr für individuelle Betroffene. Es gibt kein „Menschenrecht auf Migration“, der Migrationspakt sieht ein solches auch nicht vor.

c.) Wozu macht man das dann überhaupt?

Daher taucht immer wieder die Frage auf, wieso man ein derartiges unverbindliches Dokument dann überhaupt ausverhandelt und verabschiedet. Beziehungsweise woher die Aufregung darüber kommt, sich nicht aktiv zu beteiligen.

Der globale Migrationspakt ist zwar kein verbindlicher Vertrag, aber immer noch mehr als nichts. Immerhin war es das erste Mal, dass die UN-Mitglieder zusammengekommen sind, um eine Übereinkunft zu allen Fragen internationaler Migration zu finden. Der Pakt betont demgemäß, „dass die Migrationsproblematik von keinem Staat allein bewältigt werden kann“ und es eine dementsprechende Zusammenarbeit aller relevanten Akteure braucht.

Dementsprechend groß war die Euphorie beim Abschluss der Verhandlungen. Nach der Annahme in Marokko wird es auch eine Resolution der UN-Generalversammlung dazu geben, die allerdings ebenfalls nicht bindend sein wird (nur der Sicherheitsrat kann verbindliche Beschlüsse fällen). 2022 erfolgt eine sogenannte Review Conference. Ein Vertrag ist (derzeit) jedoch nicht geplant.

d.) Verpflichtung durch die Hintertür?

Ebenso wurde immer wieder die Sorge geäußert, dass der globale Migrationspakt durch die völkergewohnheitsrechtliche Hintertür verbindlich werden könnte. Die Regierung sprach ausdrücklich davon, dass Österreich bei der allfälligen Entstehung von Völkergewohnheitsrecht als „persistent objector“ nicht gebunden sein will. Zuletzt sprechen einige davon, dass er verbindlich werden könnte, wenn Richter sich darauf berufen.

Dazu ist zweierlei anzumerken: Zum einen entsteht Völkergewohnheitsrecht durch die fortgesetzte Praxis einer klaren Mehrheit aller Staaten (beziehungsweise, im Zusammenhang mit dem globalen Migrationspakt, auch der reicheren Zielländer), die von der Überzeugung, rechtskonform zu handeln, begleitet wird (opinio iuris). Das ist beim globalen Kompakt für Migration allein schon angesichts der aktuellen Stimmungslage eher unwahrscheinlich, zeigt sich in den Zielländern doch eine zunehmende Skepsis gegenüber Migranten und Flüchtlingen. Ebenso betont der globale Migrationspakt, die „Souveränität der Staaten und ihre völkerrechtlichen Pflichten“ zu wahren.

Zweitens ist die Rechtsfigur des „persistent objector“ äußerst strittig. Zwar hat der Internationale Gerichtshof in zwei Fall darauf Bezug genommen. Allerdings hat er das beide Male im Rahmen eines obiter dictums getan, also im Rahmen von nicht-unmittelbar fallrelevanten Ausführungen. Das Argument des persistent objectors wurde bislang von keinem internationalen Gericht oder Tribunal akzeptiert beziehungsweise wurde in keinem Fall ein Staat aufgrund seines fortgesetzten Protests von einer völkergewohnheitsrechtlichen Bindung ausgenommen. Was letztlich auch daran liegt, dass es sich beim Völkergewohnheitsrecht um „nonkonsuales Recht“ handelt, Staaten können also in der Tat gegen ihren Willen verpflichtet werden: Wie gesagt erscheint eine solche Entwicklung beim Migrationspakt allerdings äußerst unrealistisch.

Zur Sorge, dass Gerichte aufgrund des globalen Migrationspakts Urteile fällen könnten, sei Folgendes gesagt: Zwar erwähnen Gerichte durchaus manchmal nicht-verbindliche Dokumente. Allerdings niemals als einzige Grundlage, sondern eher als zusätzliche Begründung, die für sich genommen allerdings keine Bedeutung genießt. Mit anderen Worten: Der globale Migrationspakt kann nicht die einzige oder entscheidende Grundlage für richterliche Entscheidungen darstellen.

II.) Zum Inhalt

Neben dem gegenwärtigen und befürchteten zukünftigen Status des globalen Migrationspakt sei nun auf seinen Inhalt eingegeangen: Er beinhaltet 23 Ziele für eine „sichere, geordnete und reguläre Migration“, darunter (die besonders strittigen Punkte Punkte habe ich rot markiert)

  • das Erheben von „Daten als Grundlage für eine Politikgestaltung, die auf nachweisbaren Faktoren beruht“,
  • das Reduzieren von Push-Faktoren für Migration, also Anstrengungen, die Lage in den Heimatländern zu bessern,
  • die erleichterte Anerkennung von Qualifikationen,
  • Kooperation beim Grenzmanagement,
  • die Bekämpfung von Schleusern,
  • die Zusammenarbeit bei der Rückkehr von Migranten (dieser Punkt war Österreich sehr wichtig),
  • „Beseitigung aller Formen der Diskriminierung und Förderung eines auf nachweisbaren Fakten beruhenden öffentlichen Diskurses zur Gestaltung der Wahrnehmung von Migration“
  • Zugang zu sozialer Grundversorgung oder
  • mehr und bessere Möglichkeiten für reguläre Migration.

a.) Migration ist nicht gleich Migration

Das beginnt bereits beim Begriff der Migration selbst. So sieht der Pakt Migration als ein grundsätzlich positives Phänomen, von dem alle Beteiligten profitieren. Nur: Migration ist nicht gleich Migration. Es macht nun einmal einen gewaltigen Unterscheid, ob man dabei qualifizierte Einwanderung meint (wie sie etwa Kanada oder Australien betreiben) oder die Einwanderung weniger gut ausgebildeter junger Männer. Im Zusammenhang mit letzterer wird oft auf den „youth-bulge“ verwiesen; aufgrund der hohen Zahl junger perspektivenloser Männer in ärmeren Ländern wird die Migration daher weiter zunehmen. Was als einer der Hauptgründe dafür gilt, wieso es hier globale Zusammenarbeit braucht.

b.) Mehr reguläre Migration

Ein damit zusammenhängender strittiger Punkt betrifft die „Verbesserung der Verfügbarkeit und Flexibilität für eine reguläre Migration“. Kritiker merken an, dass hier falsche Erwartungen geschürt werden könnten. Es ist allgemein bekannt, dass das Fehlen regulärer Migrationsmöglichkeiten dazu geführt hat, dass viele versuchen, als Flüchtling einzuwandern. Wie man zu diesem Punkt steht, hängt damit letztlich davon ab, von welcher Form von Migration man spricht.

c.) Zugang zum Sozialsystem

Ebenso stoßen sich viele Kritiker daran, dass Arbeitsmigranten Zugang zu den jeweiligen Sozialsystemen gewährleistet werden soll (Ziel 22 des globalen Migrationspakts). Darunter fällt auch die Übertragung von Sozialansprüchen. Dabei gilt es jedoch zu bedenken, dass eine gewisse soziale Mindeststandards und Diskriminierungsverbote im Zusammenhang mit berufstätigen Arbeitskräften aus Drittländern bereits jetzt europa- und menschenrechtlich anerkannt sind.

d.) „Beseitigung von Diskriminierung und Förderung eines faktenbasierten Diskurses über Migration“

Der globale Migrationspakt beinhaltet außerdem das Ziel, „mit allen Teilen der Gesellschaft einen offenen und auf nachweisbaren Fakten beruhenden öffentlichen Diskurs zu fördern, der zu einer realistischeren, humaneren und konstruktiveren Wahrnehmung von Migration und Migranten führt“. Ebenso sollen „Hassstraftaten“ und Hetze entsprechend bestraft werden.

Gleichzeitig betont er die „volle Achtung der Medienfreiheit“ und spricht davon, „im Einklang mit dem Völkerrecht das Recht der freien Meinungsäußerung zu schützen, in der Erkenntnis, dass eine offene und freie Debatte zu einem umfassenden Verständnis aller Aspekte der Migration beiträgt“.

Manche befürchten hinter diesem Ziel gezielte Beeinflussungen der Medien oder gar Propaganda. Andere sehen darin nichts, was über die bereits bestehende Gesetzeslage oder diverse Anstrengungen gegen Rassismus hinausgeht.

Der globale Migrationspakt bringt hier letztlich nichts Neues. Er steht sinnbildlich für das Spannungsfeld zwischen „fake news“, Rassismus, Hetze (ein mittlerweile hinlänglich aufgeladener und vor allem schwer bis überhaupt nicht definierbarer Begriff) und den Grenzen der Meinungsfreiheit.

III. Fazit: Wer suchet, der findet

Der globale Migrationspakt polarisiert alleine seines Themas wegen: Migration ist nun einmal die Schlüsselfrage unserer Zeit. So gesehen ist der Inhalt nur sekundär.

Es wäre jedoch verkürzt, einfach nur auf seinen nicht-verbindlichen Charakter zu verweisen und die Diskussion hier abzubrechen. Der globale Migrationspakt beinhaltet in der Tat einige strittige Punkte. Was freilich in der Natur der Sache liegt, wenn gut 190 Staaten versuchen, ihre Forderungen zu unterzubringen. Das Endergebnis ist ein Konvolut, das unterschiedlichste Aspekte beinhaltet und über weite Strecken weniger aussagt, als man nach dem ersten Lesen meinen mag. Dementsprechend – und das zeigen die gegenwärtigen Diskussionen derzeit besonders eindringlich – lässt sich für Befürworter und Kritiker gleichermaßen etwas finden.

Ein Kommentar zu „Fragen und Antworten zum globalen Migrationspakt

  1. Was für ein nonsens, wird diese Vereinbarung erst unterschrieben wird daraus ganz schnell geltendes Recht und Gesetz.
    Besonders die Anerkennung illegaler Einwanderung soll damit legalisiert werden,
    Was im Nachhinein die bereits im Land befindlichen „Asylanten“ rechtlich nicht mehr anfechtbar macht.
    Die Folge wird sein das im weiteren Verlauf, bindende Verordnungen folgen werden.
    Justiz und manipulierte Politik wird das sicherstellen wonach den Herren in Berlin der Sinn steht.
    Ausserdem ist zu befürchten das Brüssel Druck ausüben wird im sinne von Europa hieraus Gesetze zu formen die im sinne der gedachten Ziele umzusetzen die Vorgabe ist.

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