Nach schwerwiegenden Straftaten von Asylwerbern wird stets eine schnellstmögliche Abschiebung gefordert. Oft scheitert das jedoch. Neben faktischen Gründen bestehen auch rechtliche Hürden. Eine kleine Aufzählung.
Faktische Hürden
Zu den faktischen Gründen: Oft kommen Abschiebungen alleine deshalb nicht zustande, weil das Herkunftsland unbekannt ist und sich auch nicht mit hinreichender Sicherheit eruieren lässt. Selbst wenn man es kennt, kann die Kooperation mit den jeweiligen Behörden viel Zeit in Anspruch nehmen oder gänzlich scheitern.
Rechtliche Hürden
Fehlende Rückführungsabkommen
Dabei kann Österreich sich auf 39 Rückführungsabkommen berufen (22 bilateral, 17 auf EU-Ebene, außerdem besteht eine nicht-vertragliche Vereinbarung mit Afghanistan), mit vielen wichtigen Ländern gibt es jedoch keine. Während Rückführungen natürlich auch in solchen Fällen grundsätzlich möglich sind, gestaltet sich die Sache hier oft ungleich schwieriger. Die völkerrechtliche Verpflichtung, eigene Staatsbürger zurückzunehmen (die sich unter anderem auch im globalen Migrationspakt befindet) scheitert damit oft an der Praxis.
Menschenrechte
Die in letzter Zeit (gefühlt) immer öfter und intensiver diskutierte Hürde für Abschiebungen ist der Menschenrechtsschutz. So gibt es eine Vielzahl an Rechtsnormen und eine dementsprechende Rechtsprechung (allen voran des EGMR und des EuGH), die Abschiebungen in Länder verbietet, in denen ein „ernsthaftes Risiko“ („serious risk“) droht, dass Betroffene gefoltert, unmenschlich oder erniedrigend behandelt werden könnten.
Völkerrechtliche Verträge
Darunter fällt auf völkerrechtlicher Ebene die Genfer Flüchtlingskonvention und ihr in Artikel 33 festgelegtes refoulement-Verbot (von französisch refouler, zurückweisen, zurückdrängen). Es gilt im Gegensatz zu den anderen Verträgen allerdings nicht, wenn ein Flüchtling aufgrund schwerwiegender Straftaten oder aus anderen Gründen erwiesenermaßen ein Sicherheitsrisiko darstellt.
Darüber hinaus ergibt sich aus dem allgemeinen völkerrechtlichen Verbot, Menschen zu foltern, unmenschlich oder erniedrigend zu behandeln, ein absolutes Abschiebungsverbot. Es schützt also auch Straftäter oder (potentielle) Terroristen. Die einschlägigen Bestimmungen sind Artikel 7 des Pakts über bürgerliche und politische Rechte, Artikel 3 EMRK oder Artikel 3 der UN-Antifolterkonvention (der allerdings nur von Folter spricht).
Die ratio dahinter ist klar: Nicht nur Staaten selbst dürfen unter keinen Umständen jemanden foltern oder unmenschlich oder erniedrigend behandeln: Weil der unbedingte und absolute Schutz des Individuums im Zentrum steht, sind sie auch dazu verpflichtet, niemanden in ein Land abschieben, in dem ein anderes Land gegen dieses Verbot verstoßen könnte (sie würden sonst eine Art Beihilfe leisten).
Europarechtliche Verpflichtungen
Dementsprechend befindet sich eine Reihe von gleichartigen Verpflichtungen auf EU-Ebene. Ein allgemeines Zurückweisungsverbot ist in Artikel 19 der EU-Grundrechte-charta enthalten. Dazu kommen
- die Asylverfahrensrichtlinie (Absatz 3 der Präambel sowie Artikel 9, 28, 35, 37 (Annex zum Begriff des sicheren Drittlandes) und 41),
- die Rückführungsrichtlinie (Absatz 8 der Präambel, Artikel 4, 5 und 9),
- die Statusrichtlinie (Absatz 3 und 48 der Präambel und Artikel 21) und
- die Aufenthaltsrichtlinie (Artikel 28) sowie
- die Dublin III-Verordnung (Absatz 3 der Präambel und Artikel 3/3 (der auf die Asylverfahrensrichtlinie verweist)
Wenig Spielraum
Der nationale Gesetzgeber genießt bei Abschiebungen in Länder mit niedrigen menschenrechtlichen Standards folglich wenig Spielraum. Will man in Länder wie Syrien abschieben, müsste man wahlweise
- die Schwelle für ein „ernsthafte Risiko“ von Folter, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung äußerst niedrig anlegen (wie man das bei Abschiebungen nach Afghanistan tut),
- die Rechtslage auf völkerrechtlicher und EU-Ebene massiv verändern
- oder aus zahlreichen menschenrechtlichen Verträgen sowie der EU aussteigen.
Wie realistisch oder wünschenswert diese Optionen erscheinen, möge der geneigte Leser selbst entscheiden.