Fünf spontane Anmerkungen zu den Wahlen zum Europäischen Parlament.
1.) Die FPÖ hat wie erwartet nicht allzu stark unter #Ibizagate gelitten. Politiker- und Parteienskepsis ist allgemein weit verbreitet, bei FPÖ-Wählern ganz besonders. Für viele war das Video weniger Überraschung als Bestätigung.
2.) In Deutschland haben die Grünen ziemlich abgeräumt, 22%, gleichauf mit der CDU und klar vor der SPD, die ihren Tiefflug weiter fortsetzt. Sie haben mit dem Thema Klima ein Alleinstellungsmerkmal, das auch ihr österreichisches Pendant zurück ins Parlament bringen dürfte. Außerdem sollte man sich ansehen, ob und inwiefern der Streit zwischen Rezo und der CDU (immerhin haben 85 namhafte Youtuber dazu aufgerufen, die etablierten Parteien und die AfD nicht zu wählen) in Deutschland beeinflusst hat.
3.) Auswirkungen des ÖVP-Erfolgs auf das morgige Misstrauensvotum? Für die Opposition hat sich am Dilemma nichts geändert: Wenn Kurz im Amt bleibt, hat er bei den nächsten Wahlen den Kanzler-Bonus. Wenn er das Vertrauen des Parlaments verliert, wird er die SPÖ und FPÖ als destruktive Kräfte framen. Wie man es macht, man macht es falsch.
4.) Die EU hat ein Problem mit den Jungen, Kritiker sprechen – wie auch in Bezug auf Österreich – von einer Gerontokratie, der Herrschaft der Alten. Auf orf.at war unlängst ein interessanter Beitrag dazu: Das Durchschnittsalter im Europäischen Parlament liegt bei 56 Jahren, nur 77 der 751 Abgeordneten sind 40 oder jünger, bei den letzten Wahlen haben nur 28% der unter 25-jährigen gewählt. Bin schon auf die neueren Zahlen gespannt.
5.) Im Vereinigten Königreich gilt die Brexit Party von Nigel Farage als Favorit. Ganz allgemein gehen Sorgen um, dass die Briten besonders agieren könnten. Allerdings werden sie nach derzeitigem Stand mit spätestens 31. Oktober austreten (das Datum wurde übrigens gewählt, damit kein britischer Kommissar sein Amt antritt). Bis dahin passiert im Parlament aber nicht viel bzw sind die britischen Stimmen bei keiner Abstimmung entscheidend. Auch abseits des Parlaments stehen bis dahin afaik keine Entscheidungen an, bei denen Einstimmigkeit erforderlich ist (etwa die Aufnahme neuer Mitglieder). Der Brexit-Aufschub wird daher keine nennenswerten Auswirkungen haben.
Übrigens, aus der Kategorie Pubquiz-Wissen: Die Europawahlen sind die weltweit zweitgrößten Wahlen, mehr Wahlberechtigte gibt es nur in Indien (879 Millionen!)