30 Jahre Mauerfall: ein Stück Völkerrechtsgeschichte

Am 9. November 1989 ist die Mauer gefallen. Der Beginn vom Ende der Teilung Deutschlands. Auch rechtlich spannend (zumindest für Nerds), so ganz konnte man sich über den Status der BRD und der DDR nie einigen.

Die Teilung Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg ist auch juristisch komplex wie spannend. Dabei sind mehrere Eckpfeiler zu unterscheiden: Die alliierte Besetzung bis zur verfassungsrechtlichen Gründung der BRD und der DDR, der Grundvertrag 1972 und die Aufnahme beider Länder in die UNO 1973, der Mauerfall und die Wiedervereinigung 1990.

Die Bundesrepublik Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg

Von 1945 bis 1949 wurde Deutschland von den Alliierten besetzt. Dabei wurde eine Annexion explizit ausgeschlossen, Deutschland bestand also als (temporär handlungsunfähiger) Staat weiter fort.

1949 wurden die BRD und die DDR gegründet. Erstere wurde von Frankreich, dem Vereinigten Königreich und den USA kontrolliert, die Trizone, scherzhaft auch als Trizonesia bezeichnet (siehe dazu das Washingtoner Trizone Agreement vom 8. April 1949).

Die BRD erachtete sich als rechtlich ident mit (Nazi-)Deutschland. Das klingt aber politisch brisanter als es rechtlich ist. Eine komplette Änderung der Verfassung und innerstaatlichen Rechtsordnung ändert schließlich nichts an der Völkerrechtssubjektivität. Staaten gehen juristisch nur unter, wenn sie sich freiwillig (Tschechoslowakei) oder gewaltsam (Jugoslawien) in zwei oder mehrere neu entstehende Staaten auflösen (man spricht hier von „Dissolution“ oder „dismembratio“). Das war dieser Ansicht zufolge nicht der Fall.

Sonderfall DDR

Mit der DDR verhielt es sich ein wenig anders. Zum Zeitpunkt ihrer Entstehung beanspruchte sie, wie auch die BRD, die einzige Vertretung der deutschen Nation. Wenig später wurde diese Haltung aufgegeben und sie sah sich (nicht zuletzt aus ideologischen Gründen) als nicht-ident mit dem Deutschen Reich an. Später ging sie davon aus, dass Deutschland 1945 untergegangen und in zwei neu entstandene Staaten zerfallen sei.

Die DDR wurde sogleich vom sozialistischen Block anerkannt. Die BRD, das Vereinigte Königreich und Frankreich haben allerdings erst 1972 im Zuge des Grundvertrags diplomatische Beziehungen mit der „sogenannten Deutschen Demokratischen Republik“ aufgenommen. Im Jahr darauf wurden beide in die Vereinten Nationen aufgenommen. Zuvor hatte die BRD die sogenannte Hallstein-Doktrin, derzufolge sie diplomatische Beziehungen mit der DDR von Seiten anderer Staaten als „unfreundlichen Akt“ betrachtet hatte, aufgegeben.

Allerdings hat die BRD die DDR weiterhin nicht so richtig als Staat angesehen, was sich etwa darin zeigt, dass ihren Vertretungen nicht den Status von Botschaften genossen. Umgekehrt durfte die DDR keine „Botschaft“ in Bonn errichten. Außerdem waren die Einwohner der DDR in den Augen der BRD deutsche Staatsbürger, also Bürger der BRD (eben, weil die BRD der Ansicht war, die Rechtspersönlichkeit ganz Deutschlands fortzuführen).

Die Wiedervereinigung, eine Einverleibung

Mit der Wiedervereinigung haben sich diese und ähnliche Streitfragen rund um den Status der beiden deutschen Staaten erübrigt. Völkerrechtliche Grundlage war der Einigungsvertrag zwischen der BRD und der DDR mitsamt dem zwischen ihnen und den Alliierten geschlossenem 2 + 4-Vertrag (die BRD und die DDR plus Frankreich, das Vereinigte Königreich, die USA und die Sowjetunion).

Verfassungsrechtlich haben sich die Bundesländer des Ostens neu konstituiert und sind als solche der BRD beigetreten. Juristisch handelt es sich damit um keine Vereinigung („merger“, Fusion), sondern um eine Inkorporation (Einverleibung): Die DDR ist als Völkerrechtssubjekt untergegangen.

Gedankenspiele zur Beziehung zwischen der DDR und der BRD

Für Freunde der Gedankenspiele noch kurz ein Ausflug in die damaligen Debatten: Einerseits könnte man die Phase von 1949 bis zur Wiedervereinigung als eine versuchte und über weite Strecken erfolgreiche Sezession der DDR ansehen, die von Seiten der BRD allerdings nie akzeptiert und letztlich beendet wurde. Umgekehrt darf man sich aufgrund des Charakters der DDR und dem sowjetischen Einfluss fragen, ob und inwiefern diese versuchte Sezession das Recht der Selbstbestimmung des (deutschen) Volks gewahrt hat.

Eine andere Theorie ging wiederum davon aus, dass Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg weiter bestand, während unter dem „deutschen Dach“ zwei getrennte deutsche Länder bestanden (also quasi ein deutsches Haus mit zwei Wohnungen). Durch die Aufnahme ist sie jedoch hinfällig geworden.

In Summe hat sich die BRD jedenfalls juristisch durchgesetzt: Sie hat die Völkerrechtspersönlichkeit des deutschen Reichs fortgesetzt. Die DDR war zwischenzeitlich ein anderer Staat, aber eben nur temporär: Die BRD hat sie nie als einen gänzlich fremden Staat angesehen.

Quellen/nützliche Links:

The Status of Germany in International Law: Deutschland Über Deutschland?
Ryszard W. Piotrowicz, International and Comparative Law Quarterly / Volume 38 / Issue 03 / July 1989, pp 609-635
DOI: 10.1093/iclqaj/38.3.609

http://www.bpb.de/politik/hintergrund-aktuell/211841/zwei-plus-vier-vertrag

Free Access Artikel zu dem Thema bei Cambridge University Press

http://www.bpb.de/nachschlagen/gesetze/einigungsvertrag/

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