Was steht im UN-Flüchtlingspakt?

Erst der Migrationspakt, dann der Flüchtlingspakt. Letzterem wird Österreich allerdings zustimmen. Was steht drin?

Die Begründung der Bundesregierung

Österreich wird der nahenden Annahme des UN-Flüchtlingspakts (dem Global Compact on Refugees) in der UN-Generalversammlung zustimmen. H.C. Strache hat diesen Schritt in einem Video entsprechend begründet, Ausflüge ins Völkerrecht inklusive (es klingt gar ungewohnt, aus seinem Mund Worte wie „Völkergewohnheitsrecht“, „soft law“ oder gar „persistent objector“ zu vernehmen).

 

Dazu nur ein paar kurze Anmerkungen: Erstens ist der Globale Migrationspakt (anders als im Video behauptet) kein Vertrag. Zweitens ist die von Strache ausdrücklich erwähnte persistent objector-Regel, also die Möglichkeit eines Staates, sich durch fortgesetzten Protest bei der Entstehung von Völkergewohnheitsrecht von seiner Verbindlichkeit auszunehmen, äußerst strittig (sie wurde noch nie von einem Gericht akzeptiert). Drittens kann auch eine Generalversammlungs-Resolution Völkergewohnheitsrecht werden, weil sie sich grundsätzlich als opinio iuris werten lässt, siehe dazu beispielsweise den Nicaragua-Fall (Para 188).

opinio juris may, though with all due caution, be deduced from, inter alia, the attitude of the Parties and the attitude of States towards certain General Assembly resolutions

Was steht drin?

Der Flüchtlingspakt verfolgt vier Ziele (para 7):

  1. Den Druck auf Gastländer nehmen,
  2. die Eigenständigkeit von Flüchtlingen verbessern
  3. verbessertes Resettlement (also die freiwillige Ansiedlung von Flüchtlingen, üblicherweise nach einer eingehenden Überprüfung) und
  4. verbesserte Bedingungen in den Herkunftsländern, um eine sichere und würdevolle Rückkehr zu ermöglichen.

Der Flüchtlingspakt besteht aus vier Teilen: Einleitung, das Rahmenwerk (Comprehensive Refugee Response Framework), auf das man sich bereits bei der New Yorker Erklärung 2016 geeinigt hatte (und von der Generalversammlung angenommen wurde, siehe (A/RES/71/1, Annex I)), ein Handlungsplan (Programme of Action) und Vereinbarungen über weitere und eine Überprüfung der bisher gesetzten Schritte.

Nicht verbindlich

Wie der Migrationspakt betont auch der Flüchtlingspakt, nicht verbindlich zu sein (para 4), Vielmehr steht er für den „politischen Willen und die Ziele der gesamten internationalen Gemeinschaft, die Zusammenarbeit und Solidarität mit Flüchtlingen in den betroffenen Gastländern“ zu stärken. Das soll über freiwillige Beiträge (finanzieller oder anderer Natur) geschehen, die jedes Land entsprechend seiner wirtschaftlichen und sonstigen Möglichkeiten festlegen kann.

Ziele und Mittel

Das Hauptziel besteht darin, Fluchtursachen zu bekämpfen (leichter gesagt als getan) und überhaupt zu verhindern, dass Menschen ihre Heimat verlassen müssen (para 8).

Beim Rahmenwerk steht die Kooperation im Mittelpunkt: Länder, die viele Flüchtlinge aufgenommen haben, sollen entlastet werden – geteilet Verantwortung also (paras 14-16). zu diesem Zweck wird es neben nationalen auch internationale Plattformen geben. Neben finanziellen Mitteln und Partnerschaften aller Art stehen dabei auch Daten bzw der Datenaustausch im Mittelpunkt.

Zuletzt soll die Sicherheit von Flüchtlingen gewahrt werden: Durch Frühwarnsysteme, vorausschauende Planung, schnelle Verfahren nach der Ankunft und ausreichende Registrierung inklusive dem Ausstellen von Dokumenten.

Was westlichen Ländern wichtig ist

Unter den Zielsetzungen steht die Unterstützung der Herkunftsländer und die freiwillige Rückkehr ganz oben (paras 87-89). Ein weiterer Punkt betrifft Resettlement, also die freiwillige Aufnahme von besonders schützenswerten Personen (Kinder, Gebrechliche) oder Familien. Im Gegensatz zu typischen Fällen von Asylanträgen kann der jeweilige Staat sich diese Menschen „aussuchen“ und sie vorab auch einer umfassenden Gesundheits- und Sicherheitsüberprüfung unterziehen (Kanada etwa macht hiervon Gebrauch).

Knackpunkt Integration

Nur: Oft genug funktioniert das nicht. Weil sich die Situation im Heimatland nicht (ausreichend) bessert, Menschen nicht zurückehren wollen (etwa, wenn sie sich bereits eingelebt haben, Kinder eventuell bereits hier aufgewachsen sind) oder die Kooperation mit den Behörden nicht funktioniert, sie also beispielsweise keine Reisedokumente ausstellen.

Daher betont der Flüchtlingspakt auch die Integration, bei der ein gesicherter Aufenthaltsstatus oder auch Einbürgerungen von zentraler Bedeutung sind. Integration gilt dabei als zweiseitiger Prozess zwischen Flüchtlingen und Aufnahmegesellschaft:

98. Local integration is a dynamic and two-way process, which requires efforts by all
parties, including a preparedness on the part of refugees to adapt to the host society, and a corresponding readiness on the part of host communities and public institutions to welcome refugees and to meet the needs of a diverse population

Verpflichtungen der Aufnahmegesellschaften

Dabei spielt eine Reihe von Maßnahmen eine Rolle: So verpflichtet die internationale Gemeisnchaft sich dazu, bei folgenden Zielen zusammenzuarbeiten: Verbesserter Zugang zu den Bildungssystemen in allen Sektoren (para 68), die Möglichkeit zur Beteiligung am Wirtschaftsleben durch Öffnung des Arbeitsmarkts und die Schaffung von Arbeitsplätzen (para 71), verbesserter Zugang zu den Gesundheitssystemen (para 72) im Allgemeinen und für Betroffene von chronischen Krankheiten wie HIV oder Tuberkulose, Opfer von Menschenhandel, Folter oder (sexueller und geschlechtsbezogener) Gewalt im Besonderen. Dabei sollte man aber, wie auch beim Migrationspakt, bedenken, dass der Flüchtlingspakt nicht nur westliche Aufnahmeländer verbinden soll, sondern alle.

Was kommt?

Wie gesagt wird die österreichische Regierung dem Flüchtlingspakt zustimmen. Damit ist das Thema grundsätzlich erledigt. Ob die im letzten Absatz genannten Verpflichtungen noch aufgegriffen beziehungsweise instrumentalisiert werden, wird sich noch weisen. Die Bundesregierung plant jedenfalls, noch eine Erklärung zum Flüchtlingspakt abzugeben.

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