USA vs. Iran: Krieg und Selbstverteidigung

Donald Trump hat einen Angriff auf den Iran eigenen Angaben zufolge im letzten Moment abgebrochen, weil er 150 erwartete Tote als Reaktion auf eine abgeschossene Drohne als unverhältnismäßig betrachtete. Eine primär moralische, aber auch völkerrechtliche Entscheidung.

Wie bereits im Zusammenhang mit dem (laut den USA) iranischen Angriffen auf einen norwegischen und einen japanischen Öltanker geschrieben hat der Zwist zwischen dem Iran und den USA eine eindeutige völkerrechtliche Komponente: Das universale Gewaltverbot gemäß Artikel 2 Absatz 4 der UN-Charter und das Recht auf Selbstverteidigung.

Kein bewaffneter Angriff

Im Zusammenhang mit der abgeschossenen Drohne sieht die Sache allerdings anders aus: Eine solche Handlung gilt nicht als „bewaffneter Angriff“. Und zwar aus zwei Gründen:

Einerseits ist ein solcher Abschuss nicht schwerwiegend genug (siehe dazu den Internationalen Gerichtshof im Nicaragua-Fall, in dem er bewaffnete Angriffe als „the most grave forms of the use of force“ bezeichnete).

Andererseits ist immer noch unklar, wo sich die Drohne genau befunden hat. Sofern sie iranischen Luftraum verletzt haben sollte, wurde die Gebietshoheit des Irans verletzt, womit er entsprechend reagieren durfte. Notfalls auch mit einem Abschuss, zumal der Iran angeblich sogar erst gewarnt hatte. Es handelt sich schließlich um eine äußerst hochwertige Spionagedrohne. Und Staaten haben ein vitales beziehungsweise nachvollziehbares Interesse daran, die Übermittlung essentieller Informationen zu unterbinden.

Die US-Reaktion: Eine „Vergeltungsmaßnahme“?

Könnte man die US-Reaktion als „Vergeltungsmaßnahme“ einstufen? Also als militärische Reaktion in Kriegszeiten?

Schwierig. Schließlich gibt es keinen bewaffneten Konflikt zwischen dem Iran und den USA. Selbst wenn man einen solchen für die Dauer des Drohnen-Abschusses annimmt, wäre er wieder vorbei. Davon abgesehen braucht es auch hier eine Verletzung, die allerdings jedenfalls dann nicht vorliegt, wenn die Drohne sich über iranischem Gebiet befunden hat.

Zur Bedeutung des Völkerrechts

Was bleibt also? Die Erklärung von Donald Trump, sowohl via Twitter als auch in einem TV-Interview, ist bemerkenswert. Nur selten geben Staatsoberhäupter einen derartigen Einblick in ihren Entscheidungsprozess.

Bleibt die Frage, wer ihn beeinflusst hat. Laut New York Times war es kein Rechtsberater, sondern FoxNews-Kommentator Tucker Carlson (!).

While national security advisers were urging a military strike against Iran, Mr. Carlson in recent days had told Mr. Trump that responding to Tehran’s provocations with force was crazy. The hawks did not have the president’s best interests at heart, he said. And if Mr. Trump got into a war with Iran, he could kiss his chances of re-election goodbye. …

As Mr. Carlson and other skeptics have argued, a strike against Iran could easily spiral into a full-fledged war without easy victory. That, Mr. Trump was told, was everything he ran against. And so the president struggled into the early evening, committed to taking action to demonstrate resolve right up until the moment he decided against it and called off the warplanes and missile launchers.

Davon abgesehen haben auch die Juristen im Pentagon eine entscheidende Rolle gespielt. Die Einschätzung zu den Todesopfern geht auf sie zurück, nicht auf die US-Generäle.

The 150-dead casualty estimate came not from a general but from a lawyer, according to the official. The estimate was developed by Pentagon lawyers drafting worst-case scenarios that, the official said, did not account for whether the strike was carried out during daytime, when more people might be present at the targets, or in the dark hours before sunrise, as the military planned.

That estimate was passed to the White House counsel, Pat A. Cipollone, without being cleared with Mr. Shanahan or General Dunford. It was then conveyed to the president by the White House lawyers, at which point Mr. Trump changed his mind and called off the strike.

Pentagon lawyers are typically involved in casualty and collateral damage estimates, charged with considering the worst possible outcome. Such numbers are fluid and almost always a rough guess, as it is almost impossible to know who or what will be at the site of an attack when it occurs.

But the lawyers’ involvement was seen by some of Mr. Trump’s aides as an attempt to circumvent Mr. Bolton and Pentagon leaders to influence the president. In effect, whether intended to or not, the casualty estimate played to the concerns that Mr. Trump had shared with Mr. Carlson and other skeptics of military action in the Middle East.

So hat ein derartiger Angriff neben dem bereits genannten ius ad bellum – also der Frage, ob und unter welchen Umständen man überhaupt zu den Waffen schreiten darf – auch eine kriegsrechtliche Dimension. Sofern ein Angriff unverhältnismäßig zum erwarteten militärischen Vorteil ist, muss er abgebrochen werden (siehe Artikel 57 erstes Zusatzprotokoll zu den Genfer Konventionen).

Am Ende des Tages war Trumps Entscheidung in erster Linie moralisch-politischer Natur. Das (Völker-)Recht hatte dabei jedoch indirekt einen entscheidenden Anteil. Es ist eben nicht so irrelevant wie viele meinen.

Ein Kommentar zu „USA vs. Iran: Krieg und Selbstverteidigung

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