Für heute war eine Abschiebung von Österreich nach Afghanistan geplant. Sie wurde allerdings vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte aufgrund der dortigen Sicherheitslage untersagt.
Rechtsgrundlage für eine solche vorläufige Maßnahme ist Artikel 39 seiner Verfahrensregeln, 65% der diesbezüglichen Anträge betreffen Abschiebungen. Was daran liegt, dass man bis zur letzten Sekunde verhindern möchte, dass Menschen in Länder gebracht werden, in denen ihnen Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung ernsthaft droht. Wenn die Menschen erst einmal dort sind, haben sie von einem allfälligen EGMR-Urteil nicht mehr viel (für Näheres siehe hier).
Allerdings werden insgesamt nur 12,5% aller Anträge auf vorläufige Maßnahmen gewährt. Alleine deswegen ist die aktuelle Maßnahme so bedeutsam, zumal ihre Auswirkungen weit über Österreich hinausgehen: im Prinzip darf vorerst kein einziges europäisches Land nach Afghanistan abschieben (auch Deutschland hat, mitunter genau deswegen, eben erst einen Abschiebeflug gestoppt). Es handelt sich insofern de facto um keine „Einzelfallentscheidung“ (auch wenn das BMI das anders sieht), als die vom Gericht angeführten Gründe für alle Afghanen gleichermaßen gelten, egal, in welchem Land sie sich aktuell befinden. Der EGMR hat eben nicht individuelle Gründe angeführt, sondern die allgemeine Sicherheitslage.
Die Anordnung ist auch brisant, weil Afghanistans Regierung aufgrund des Konflikts mit den Taliban, die in den letzten Wochen weite Teile des Staatsgebiets übernommen haben, ohnehin keine eigenen Staatsbürger zurücknehmen möchte. Sie kommt also nicht überraschend. Allgemein war die Frage nicht ob, sondern wann Afghanistan nicht mehr als hinreichend sicher gilt.
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Die Bundesregierung, genau genommen der türkise Teil, wollte sich damit, nicht zuletzt aus innenpolitischen Gründen beziehungsweise als Reaktion auf die Vergewaltigung und Tötung eines dreizehnjährigen Mädchens, bei der mehrere Afghanen verdächtigt werden, allerdings nicht abfinden.
Zuletzt wurde sogar kolportiert, dass Österreich vor zwei Wochen mit der Schließung der afghanischen Botschaft gedroht hätte, um eine Abschiebung doch noch durchzusetzen. Was zwar völkerrechtlich möglich, aber diplomatisch fragwürdig ist. Am Ende des Tages muss man bei Rückführungen eben doch zusammenarbeiten. Stellungnahme gibt es dazu allerdings (noch?) keine.
Das von Innenministerium/Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl oft vorgebrachte Argument, dass es in Afghanistan sichere Orte und damit eine sogenannte innerstaatliche Fluchtalternative gäbe, greift im Moment jedenfalls endgültig nicht mehr. Im Moment steht Afghanistan vor einem Krieg, in den Taliban-Gebieten herrscht kein auch nur annähernd menschenrechtlich adäquater Zustand.
Die Anordnung selbst findet ihr übrigens unten im Original.
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