Zur Lage an der polnisch-belorussischen Grenze

Ich habe gestern bei PULS24NEWS über die Situation an der Grenze zwischen Polen und Belarus gesprochen. Ein paar Anmerkungen zu Flüchtlingen als „Waffe“ und wieso die EU ihr eigenes Recht bricht.

Lukaschenko verletzt mit der gezielten Instrumentalisierung von Asylwerbern das Interventionsverbot. In der Vergangenheit gingen manche Staaten (konkret Indien) sogar so weit, sich auf das Selbstverteidigungsrecht berufen zu wollen, weil gezielte Fluchtbewegungen als Angriff gewertet wurden. Kelly Greenhill spricht in diesem Zusammenhang von „Weapons of Mass Migration“, eine Taktik, die Lukaschenko übrigens nicht zum ersten Mal anwendet (so hat er bereits 2002 damit gedroht, die damals 150 000 Tschetschenen im Land in die EU zu schicken) und später 2004 (Afghanen, Pakistaner und Vietnamesen) gedroht, die EU mit Asylwerbern zu „überfluten“ (konkret mit den damals 150 000 Tschetschenen auf dem belorussischen Gebiet). Die EU reagierte 2004 damit, mehr Geld für den Außengrenzschutz in die Hand zu nehmen, anstatt Lukaschenko mehr zu geben. Die Geschichte wiederholt sich.

Der Spiegel vom 14. Oktober 2005. Könnte aber auch von heute sein.

Die EU könnte als auch heute verstärkt in den Grenzschutz investieren und auch mit neuen Sanktionen gegen Lukaschenko reagieren. Ob diese zu einer Verhaltensänderung führen werden, darf aber bezweifelt werden, der belorussische Präsident gilt spätestens seit den letzten Wahlen als illegitim und steht daher mit dem Rücken zur Wand, Putin – auch wenn er nicht gerade sein bester Freund ist – nimmt ihn mit halboffenen Armen: Besser ein abhängiger Verbündeter als ein weiterer pro-westlicher Staat im eigenen unmittelbaren Einflussbereich.

Umgekehrt hat die EU sich rechtlich dazu verpflichtet, das Recht auf Asyl zu respektieren und gegebenenfalls an der Grenze Asylverfahren zu führen (siehe Artikel 3, 8 und 43 der Asylverfahrensrichtlinie und Artikel 3 der Dublin III-Verordnung, siehe sogleich). Die Menschen ohne Verfahren vom Grenzübertritt abzuhalten oder gar eine Mauer zu bauen geht rechtlich (!) also nicht.

Artikel 3 Dublin III Verordnung
Verfahren zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz
(1) Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.

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