Ein Recht auf Abtreibung?

Der US Supreme Court hat also tatsächlich das Verfassungs-„Recht auf Abtreibung“ gekippt. Grund genug, sich die Rechtslage innerhalb der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) ein wenig anzusehen

In Österreich gilt bekanntlich die Fristenlösung, ein Schwangerschaftsabbruch ist damit „grundsätzlich innerhalb der ersten drei Monate nach Beginn der Schwangerschaft nach einer Beratung durch eine Ärztin/einen Arzt möglich.“ Zu einem späteren Zeitpunkt ist eine Abtreibung in drei Fällen erlaubt:

  • bei einer Gefahr für die Gesundheit bzw. das Leben der Schwangeren
  • bei erwarteten schweren Behinderungen des Kinders
  • wenn die betroffene Frau/das betroffene Mädchen zum Zeitpunkt des Schwangerschaftsbeginns noch nicht 14 Jahre alt war.

Zur Lage in Gesamt-Europa ist Folgendes zu sagen: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat kein allgemeines „Recht auf Abtreibung“ anerkannt. Laut einer Entscheidung der Europäischen Kommission für Menschenrechte (die es seit der EGMR-Reform 1998 nicht mehr gibt) aus dem Jahr 1980 gibt es ein Recht auf Abtreibung bei Gefahr für das Leben der betroffenen Frau (X gegen das Vereinigte Königreich), das Leben des ungeborenen Kindes ist also nicht mehr „wert“ als ihr eigenes:

19. The „life“ of the foetus is intimately connected with, and cannot be regarded in isolation of, the life of the pregnant woman. If Art. 2 [das Recht auf Leben] were held to cover the foetus and its protection under this Article were, in the absence of any express limitation, seen as absolute, an abortion would have to be prohibited even where the continuance of the pregnancy would involve a serious risk to the life of the pregnant woman. This would mean that the „unborn life“ of the foetus would be regarded as being of a higher value than the life of the pregnant woman. The „right to life“ of a person already born would thus be considered as subject not only to the express limitations mentioned in para. 8 [das Recht auf Privat- und Familienleben] but also to a further, implied limitation.

20. The Commission finds that such an interpretation would be contrary to the object and purpose of the Convention. It notes that already at the time of the signature of the [Europäische Menschenrechtskonvention] (4 November 1950), all High Contracting Parties, with one possible exception, permitted abortion when necessary to save the life of the mother and that, in the meanwhile, the national law on termination of pregnancy has shown a tendency towards further liberalisation.

X. v. United Kingdom, 1979/1980

Heute erlauben 40 Mitglieder des Europarats eine Abtreibung innerhalb der ersten 10 bis 24 Wochen. Die restlichen sieben haben unterschiedliche strenge Anti-Abtreibungsgesetze: In Malta und Andorra besteht ein absolutes Verbot (in Verletzung der oben genannten Rechtsprechung), San Marino und Liechtenstein beschränken das Recht auf lebensgefährdende Schwangerschaftsverläufe und Vergewaltigungen, Monaco und Ungarn außerdem auf (schwerwiegende) Fehlbildungen des Kindes und Polen wiederum auf Inzest und Vergewaltigungen (nicht aber Fehlbildungen).

Weiterführende Literatur:

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