„Warum gehst du nicht in die Politik?“

Als politisch denkender und diskussionsfreudiger Mensch stellt sich immer wieder die Frage eines politischen Engagements. Ja, warum eigentlich nicht?

Die jüngsten Rücktritte sind ein Anlass, sich Gedanken zum Beruf des Politikers zu machen. Wer wird Politiker und wieso? Was hält Menschen davon ab?

Im Idealfall zieht es die fähigsten, ehrenwertesten und moralisch integersten Menschen in die Politik. Im Parlament soll die Bevölkerung im positiven Sinne repräsentiert werden: Durch Vertreter, die ihre Lebenssituation kennen, weil sie aus ihrer Mitte kommen und die zugleich genügend Einsichtsfähigkeit und Empathie besitzen, um mit anderen kooperativ zu interagieren. Demokratie als Diskursprozess, bei dem unterschiedliche Ansichten in Einklang gebracht werden.

Das tatsächliche weitverbreitete Politikerbild deckt sich nicht mit dieser Idealvorstellung. Das Parlament ist über weite Strecken zur Theaterbühne verkommen, die dortige Debattenkultur steht in starkem  Kontrast zu dem, was man in Abhandlungen zum Parlamentarismus liest. Von dem Schauspiel, das bei TV-Diskussionen geboten wird, ganz zu schweigen: Bunte Kärtchen, NLP und im Vorhinein auswendig gelernte Tiefschläge. Alles, was bei der anschließenden Expertenanalyse gut verwerten lässt und somit länger (soll heißen: ein paar Stunden, eventuell Tage) in Erinnerung bleibt. Das Diffamieren des politischen Gegners ist zu einer Leitmaxime politischen Handelns geworden.

Wohl ein (beileibe nicht der einzige!) zentraler Grund dafür, wie in Foren, Social Media-Kanälen oder bei klassischen Stammtischen über Politiker gesprochen wird. Vom Privatleben über das Aussehen bis hin zu simpelsten Antipathien. Sachthemen gehen dabei über weite Strecken unter. Spitzenpolitiker werden weniger wegen dem gewählt, wofür sie stehen als dafür, wie sie – im wahrsten Sinne des Wortes – gesehen werden. Statt Wettbewerb der Ideen gibt es einen Kampf der Spindoktoren.

Diese erhöhten Anforderungen an die Person des Politikers haben eine abschreckende Wirkung. Niemand will, dass sein Privatleben in seiner Totalität thematisiert wird, niemand will als Projektionsfläche für Frustrationen aller Art herhalten. Daher scheint dem Beruf des Politikers ein inhärentes Ablaufdatum innezuwohnen. Ein paar Jahre an vorderster Front, aber von Anfang an mit einem Teil der Gedanken im Leben danach. Fernab der Öffentlichkeit, sei es in den hinteren Reihen der Partei oder der sagenumwobenen (oft politiknahen) Privatwirtschaft. (Sebastian Kurz hatte beispielsweise 2013 gemeint, dass er in zehn Jahren wohl nicht mehr in der Politik sein werde)

Daneben gibt es eine Reihe von weiteren Gründen, die Menschen von politischem Engagement abhalten: Die spitzen Ellbogen von Konkurrenten in der eigenen und erst Recht in anderen Parteien. Der ständige Druck, sich für die eigene Partei rechtfertigen und zu nahezu jedem Thema eine elaborierte Position haben zu müssen. Der mühselige Aufstieg im innerparteilichen Stiegenhaus (wer steht schon gerne mit einer Parteijacke auf einer Einkaufsstraße, um Flyer zu verteilen?). Die Angst, sich mit dem Bekenntnis zu einer Partei viel zu verbauen. Die fehlende Identifikation mit der Partei in ihrer Gesamtheit. Der Zynismus bei vielen, die schon lange dabei sind. Das Gefühl, einen aussichtslosen Kampf zu führen.

Der Beruf des Politikers, das soll zuletzt auch festgehalten werden, ist dennoch nicht so schlimm wie manche meinen. Zumindest, wenn man das notwendige charakterliche Rüstzeug mitbringt. Das persönliche (wirtschaftliche) Risiko ist gering, „politische Verantwortung“ bedeutet letztlich, dass man gegebenenfalls zurücktreten muss (was in Österreich ohnehin nur selten geschieht) oder abgewählt wird. Gemessen an der notwendigen Qualifikation (grundsätzlich keine) kann man sehr gut verdienen (selbst auf den niederen Ebenen); hinzu tritt die Möglichkeit zum Kontakteknüpfen, um später einen anderen -weniger aufmerksamkeitsträchtigen – lukrativen Posten zu bekommen (Unternehmen engagieren bei „revolving door“-Politikern, also jenen, die zwischen Privatwirtschaft und Politik regelrecht pendeln, ja über weite Strecken ihr Adressbuch). Davon abgesehen: So richtig viel Kritik und untergriffige Anschuldigungen müssen nur einige wenige ganz obenstehende Politiker (Parteichefs, Regierungsmitglieder und selbst hier nicht alle) einstecken. Antun wollen viele sich die Politik freilich dennoch nicht. Es gibt gewiss angenehmere zwischenmenschliche Gegenden als die Arena für den Wettkampf um Macht.

 

Ein Kommentar zu „„Warum gehst du nicht in die Politik?“

  1. Interessant… Genau diese Frage hatte ich mir gestellt als ich 14Jahre alt war. Damals gab es neben den Gründen die du beschrieben hast allerdings noch einen wichtigen Faktor, der mich letztlich nachhaltig davon überzeugte es nicht zu tun: Zeit. Als Politiker im Bundestag hat man unglaublich wenig Zeit für andere Dinge als Politik. Das heißt es gibt zwei Optionen: Entweder die Familie bleibt auf der Strecke oder wichtige Aspekte des Jobs bleiben auf der Strecke. Und dazu kommen noch die von dir genannten Gründe. Diese allein hätten aber nicht genügt mich davon abzuhalten… Wie du schon schreibst… So schlimm ist es dann doch wieder nicht 😉
    LG Scarlet

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