Israel hat am Samstag mehrere Luftangriffe in Syrien geflogen. Ein völkerrechtlich quasi-dreipersonales Verhältnis mit Israel, dem Iran und Syrian. Obendrein ist Israels Vorgehen auch vom Gedanken der präventiven Selbstverteidigung geprägt.
Zum Gang der Handlung: Eine iranische Drohne ist in den israelischen Luftraum eingedrungen und wurde von Israel „neutralisiert.“
Here’s a quick summary of today’s events, from the #Iranian UAV to our large-scale strike against the #Syrian air-defense. The IDF will stand guard against any further attacks. pic.twitter.com/ntoHRiv1Z6
— Jonathan Conricus (@LTCJonathan) 10. Februar 2018
Israel hat daraufhin syrische und iranische Ziele in Syrien angegriffen, die größten Luftangriffe seit 1982 und dem Libanonkrieg (was wiederum die größte Luftoperation seit dem Koreakrieg war). Die syrische (mit russischen Waffen ausgestattete) Flugabwehr hat auch einen israelischen Jet getroffen.
Iran in Syrien
Eine etwas ungewöhnliche Fallkonstellation. Das Selbstverteidigungsrecht geht schließlich typischerweise von zwei Akteuren aus: Angreifer und Verteidiger. Hier gibt es jedoch mit dem Iran einen dritten Akteur.
Grundsätzlich ändert das nichts: Wenn Staat A das Gebiet von Staat B (noch dazu mit Einverständnis der Regierung) nützt, um Staat C anzugreifen, kann sich dessen Selbstverteidigungshandlung auch gegen militärische Ziele von Staat A im Gebiet von Staat B richten (siehe dazu Yoram Dinstein, War, Aggression, and Self-Defence, Cambridge University Press 2017, S. 216f.). Sofern ein hinreichendes Naheverhältnis zwischen Staat A und Staat B besteht, können grundsätzlich auch militärische Ziele von Staat B angegriffen werden. Alles andere wäre unlogisch und absurd: Staaten könnten sich schützen, indem sie ihre Angriffe vom Gebiet anderer Staaten aus begehen.
Bewaffneter Angriff?
Das Problem im vorliegenden Fall ist ein anderes: Es ist nicht klar, ob es einen bewaffneten Angriff gab. Ein solcher wird von Artikel 51 UN Charter (der das Selbstverteidigungsrecht beinhaltet) allerdings verlangt.
Israel hat keine näheren Angaben dazu gemacht, ob die Drohne bewaffnet war. Das ist jedoch entscheidend. Wenn dem so ist, könnte man von einem bewaffneten Angriff sprechen. Der Internationale Gerichtshof (konkret im Nicaragua-Fall) vertritt hier einen relativ restriktiven Begriff, indem er bewaffnete Angriffe als “ the most grave forms of the use of force“ bezeichnet. Ob eine bewaffnete Drohne dieses Kriterium erfüllt, wäre zu diskutieren.
In der Staatenpraxis wurde jedenfalls ein äußerst niedriger Standard vertreten: Staaten reagieren auch auf Angriffe geringer Intensität. Damit würde eine bewaffnete Drohne in jedem Fall das Selbstverteidigungsrecht auslösen.
Ist sie das nicht, handelt es sich um keinen bewaffneten Angriff, sondern um eine Verletzung der israelischen Souveränität. Israel darf die Drohne daher aufhalten, einfangen oder abschießen, aber nicht mit Angriffen auf Syrien reagieren.
Verhältnismäßigkeit?
Selbstverteidigung muss außerdem verhältnismäßig sein. Was sich auf jedenfalls zwei Arten definieren lässt: Verhältnismäßigkeit zwischen Angriffs- und Verteidigungshandlung oder – wie im innerstaatlichen Recht – der Einsatz des gelindesten Mittels, das verlässlich zu einem Ende der Angriffshandlung führt.
Präemptive und präventive Selbstverteidigung
Insofern sind Israels Militärschläge per se nicht verhältnismäßig. Allerdings beinhalten sie auch ein präemptives oder auch präventives Element. Soll heißen: Es ging Israel nicht nur darum, einen Drohnenangriff zu zu beenden. Zusätzlich sollten auch etwaige zukünftige Drohnenangriffe oder überhaupt iranische Aggressionshandlungen unterbunden werden. Demgemäß genießt Israel einen weiteren Spielraum bei der Verhältnismäßigkeit.
Hier befinden wir uns endgültig im Land der Grauzone: Es gilt, zwischen präemptiver und präventiver Selbstverteidigung zu unterscheiden. Erstere bezieht sich auf einen unmittelbar bevorstehenden Angriff und ist rechtmäßig. Zweitere auf einen irgendwann, möglicherweise und in ferner Zukunft stattfindenden Angriff (siehe dazu die US National Security Strategy aus dem Jahr 2002, mit der auch der Angriff auf den Irak 2003 gerechtfertigt wurde). Dabei verschwimmt die Grenze zwischen Angriff und Verteidigung, eine solche weite Auslegung des Selbstverteidigungsrechts ist daher nicht zulässig.
Israel und der Iran
Israel beobachtet das Erstarken des Irans in der Region und die zunehmende Präsenz in Syrien mit Argusaugen.
“Iran is busy turning Syria into a base of military entrenchment,” Israeli Prime Minister Benjamin Netanyahu said at a news conference last September. “It wants to use Syria and Lebanon as war fronts against its declared goal to eradicate Israel.”
Die jüngsten Luftangriffe sollten ein entsprechendes Zeichen setzen und den Iran in einer Frühphase schwächen. Sofern ein iranischer Angriff nicht unmittelbar bevorsteht, sind solche Angriff jedoch nicht völkerrechtskonform. Theoretisch müsste Israel also zuwarten, selbst wenn der Iran weiter aufrüstet. Was Israel offensichtlich nicht tun will. Wie so oft stößt das Recht damit an seine Grenzen.