Die Ermordung des saudischen Journalisten Jamal Khashoggi rüttelt an den Grundsätzen der Immunität und der Unverletzlichkeit von Konsulaten. Ein paar Anmerkungen zur Rechtslage.
DerMissbrauch von Botschaften und Konsulaten ist nicht neu. In irakischen Botschaften wurde unter Saddam Hussein gefoltert, auch andere Staaten wird ähnliches vorgeworfen. Zu nennen ist außerdem der iranische Vorwurf in Richtung USA, den Coup gegen die Regierung unter Mossadegh von ihrer Botschaft aus geplant und orchestriert zu haben. Ganz allgemein wird Staaten oft vorgeworfen, Botschaften zu Spionagezwecken zu missbrauchen.
Der Fall Khashoggi ist allerdings eine neue Dimension: Anscheinend wurde er gefoltert, getötet und anschließend zerstückelt, um die Leiche außer Landes zu bringen. Was so ziemlich alles aus den dunklen Seiten des Diplomatenrechts in den Schatten stellt.
Konsulate sind geschützt
Konsulate sind kein externes Staatsgebiet (dazu näher hier). Daraus folgt auch, dass das Recht des Landes gilt, in dem sich ein Konsulat befindet.
Vielmehr sind Konsulate – wie auch Botschaften – vom Zugriff ausländischer Behörden geschützt (siehe Artikel 31 Wiener Konsularrechtskonvention, kurz WKK). Daher dürfen sie nur mit Zustimmung betreten werden (ausgenommen sind Brände oder vergleichbare Unglücksfälle; eine Ausnahme, die es für Botschaften übrigens nicht gibt, sie dürfen nie ohne Zustimmung betreten werden, selbst in solchen Ausnahmefällen nicht). Es gilt aber die Verpflichtung, Konsulate nur im Rahmen der konsularischen Aufgaben zu nützen (dazu gleich mehr).
Konsuln können festgenommen werden
Die Immunität von Konsuln reicht allerdings weniger weit als jene von Botschaftern. Sie gilt nur für die „in Wahrnehmung konsularischer Aufgaben gesetzten Handlungen“ (siehe Artikel 43 WKK). Folter und Mord können ihrem Wesen nach niemals unter diese Bestimmung fallen (die konsularischen Aufgaben werden in Artikel 5 WKK aufgezählt), hier kann es folglich keine Immunität geben (siehe zur Immunität im Zusammenhang mit schweren Verbrechen im Allgemeinen auch die Entscheidung des britischen House of Lords Pinochet-Fall, Andrea Bianchi hat dazu anno dazumal einen aufschlußreichen Artikel im European Journal of International Law verfasst).
Während ein Botschafter oder ein Diplomat selbst in Fällen schwerster Verbrechen wie Folter oder Mord nicht verfolgt, inhaftiert und bestraft werden kann (die einzige in der Wiener Diplomatenrechtskonvention vorgesehene Sanktion ist die Erklärung zur persona non grata, womit er das Land verlassen muss), kann ein Konsul „im Falle eines schweren Verbrechens und auf Grund einer Entscheidung der zuständigen Justizbehörde festgenommen oder in Untersuchungshaft genommen werden“ (Artikel 41(1) WKK). Ebenso kann gegen ihn ein Strafverfahren eingeleitet werden, er ist dabei ausdrücklich verpflichtet, “vor den zuständigen Behörden zu erscheinen“ (Artikel 41(3) WKK). Selbiges gilt natürlich auch für sonstiges konsularisches Personal oder technisches und für die Verwaltung zuständiges Personal. Artikel 55 WKK legt ausdrücklich fest, dass Konsuln und alle anderen, die aufgrund ihrer Stellung Immunitäten genießen, die Gesetze des jeweiligen Landes beachten müssen.
Bestrafung saudischer Agenten?
Die Türkei kann die verantwortlichen saudischen Staatsangehörigen – egal, ob es sich um eigens eingeflogene Agenten, den Konsul oder das reguläre konsularische Personal handelt – gerichtlich verfolgen und bestrafen. Auch für Morde in Konsulaten gilt das türkische Recht und damit der Straftatbestands des Mordes und der Folter. Die Türkei ist völkerrechtlich sogar verpflichtet, derartige Handlungen zu unterbinden und zu verfolgen. Ob und in welchem Ausmaß das passieren wird, steht freilich auf einem anderen Blatt. Der saudische Konsul hat die Türkei jedenfalls schnell verlassen.