Die jüngsten Brände im Amazonas-Regenwald haben für viel Aufregung gesorgt. Immer wieder wird eine entschlossene Reaktion gefordert, im Guardian war gar von militärischem Vorgehen die Rede. Anlass genug für einen kleinen Ausflug ins internationale Umweltrecht – von Rio bis nach Paris.
Brände im Amazonas-Regenwald, der Weltlunge, haben jetzt keinen sonderlich beruhigenden Effekt (auch wenn der insbesondere von Macron verbreitete Mythos, wonach er 20% des weltweiten Sauerstoffs produziert, nicht stimmt).
Grund für viel berechtigte Aufregung und Kritik. Manche fordern Sanktionen gegen Brasilien oder gar eine Intervention im Namen der Umwelt (so ein gewisser Lawrence Douglas im Guardian), quasi als Gegenstück zum Konzept der „humanitären Intervention“, also der Anwendung von Waffengewalt zum Schutz von elementaren Menschenrechten.
Umweltvölkerrecht
Das Völkerrecht ist keine einheitliche Rechtsmasse. In den letzten Jahrzehnten haben sich seine unterschiedlichen Regelungs- und Teilbereiche zunehmend verselbstständigt. Fragmentierung nennt man das. Wie im innerstaatlichen Recht hat die Spezialisierung auch hier Einzug gefunden. Unsere Welt ist nicht nur klein (Otto (von) Habsburg), sondern auch komplex geworden. Es wird zunehmend schwerer, als Generalist aufzutreten. Grundzüge ja, Detailwissen in allen Bereichen – schwierig.
Noch dazu, wenn sich die einzelnen Teilbereiche weiter ausdifferenzieren. Das Umweltrecht umfasst den Schutz bedrohter Tierarten ebenso wie die Verschmutzung der Weltmeere oder gefährliche Abfälle und Luftverschmutzung.
Klimawandel
1988 hat die UN-Generalversammlung den Klimawandel zum ersten Mal als „common concern of mankind“, also als gemeines Anliegen der gesamten Menschheit, bezeichnet, zwei Jahre später berief sie ein Verhanldungskommitte für ein eigenes Abkommen ein.
1992 war dann ein entscheidendes Jahr für das Umweltrecht: Damals fand in Rio die zweite große Umweltkonferenz nach nicht ganz zufällig 20 Jahre davor stattgefundenen – ersten – Umweltkonferenz in Stockholm statt, wo das fertig ausgearbeitete „Rahmenabkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen“ zur Unterzeichnung auflag. Es verfolgt das Ziel,
die Stabilisierung der Treibhausgaskonzentrationen in der
Artikel 2 UN-Klimaabkommen von 1992
Atmosphäre auf einem Niveau zu erreichen, auf dem eine gefährliche anthropogene Störung des Klimasystems verhindert wird. Ein solches Niveau sollte innerhalb eines Zeitraums erreicht werden, der ausreicht, damit sich die Ökosysteme auf natürliche Weise den Klimaänderungen anpassen können, die Nahrungsmittelerzeugung nicht bedroht wird und die wirtschaftliche Entwicklung auf nachhaltige Weise fortgeführt werden kann.
Ein erster Schritt war getan, auf der ersten Konferenz der Vertragsparteien wurden Verhandlungen für ein Zusatzprotokoll auf den Weg gebracht: Das Kyoto Protokoll vom Dezember 1997. Es verpflichtet Industrienationen, ihre Emmissionen zwischen 2008 und 2012 um mindestens 5% unter das Niveau von 1990 zu bringen. Es trat 2005 in Kraft.
Von Kyoto über Marrakesch nach Kopenhagen
Zuvor fand die Klimakonferenz in Marrakesch statt (wichtiger Nebenaspekt: ein halbes Jahr davor waren die USA 2001 aus dem Klima-Abkommen ausgetreten), auf dem die konkrete Umsetzung des Kyoto-Protkolls vereinbart wurde, darunter auch der weithin bekannte und emotional diskutierte Handel mit Emissionsrechten.
Schon bei Inkrafttreten des Kyoto-Protokolls war den Beteiligten klar, dass es sich nur um einen ersten – zaghaften – Schritt handeln konnte, es folgten noch im selben Jahr Verhandlungen für die Zeit nach 2012. 2009 folgte der „Copenhagen Accord“, in dem das finale und bis heute zentrale Ziel festgelegt wurde, den Anstieg der globalen Temperatur auf unter 2 Grad Celsuis zu beschränken.
Freiwilligkeit
Allerdings finden sich darin keine verbindlichen Emissionsbeschränkungen. Vielmehr ruft die Kopenhagener Vereinbarung Staaten dazu auf, freiwillige Reduktionsziele zu setzen.
Hier liegt die Crux: Das Umweltrecht ist allgemein von Unverbindlichkeit und dem goodwill der Staaten geprägt – man spricht von „soft law“ (ein Begriff, der einigen vielleicht noch aus der Debatte rund um den Globalen Migrationspakt in Erinnerung ist): Ein Rahmen, ein politischer Aufruf, aber eben keine Pflichten im rechtlichen Sinn.
Das Pariser Klimaabkommen
Womit wir in an der (vorläufigen) Endstation des internationalen Vertragswerks zum Klimawandel angelangt werden: Paris. Das auf der dortigen Klimaschutzkonferenz verabschiedete Übereinkommen beinhaltet einen weltweiten Aktionsplan, um das bereits in Kopenhagen genannte langfristige Ziel einer Begrenzung der Erderwärmung auf „deutlich unter 2 Grad Celsius“ zu erreichen.
Das Pariser Klimaabkommen trat 2016 in Kraft: Bedingung war, dass mindestens 55 Länder, von denen zusammen genommen 55 Prozent der globalen Treibhausgas-Emissionen ausgehen, beitreten. Zu den Vertragsparteien zählt neben China und den europäischen Staaten mitsamt der Europäischen Union auch Brasilien, selbst die USA waren ursprünglich dabei.
Verbindlich, unverbindlich: Ein Hybrid
Die Euphorie beim Inkrafftreten war groß, das Pariser Klimaabkommen stellt durchaus einen weiteren Meilenstein dar. Nur: Es basiert, wie so oft im Umweltrecht, auf Freiwilligkeit. So beinhaltet Artikel 3 die Pflicht, „als national festgelegte Beiträge zu der weltweiten Reaktion auf Klimaänderungen ehrgeizige Anstrengungen … zu unternehmen.“ Diese sollen auch überprüft und sofern notwendig und möglich, nach oben hin angepasst werden. Der von Trump anlässlich des US-Ausstiegs erhobene Vorwurf, dass es die Souveränität ungebührlich einschränke, ist somit haltlos. Am Ende des Tages kann jede Vertragspartei selbst entscheiden, wie viel sie tun möchte.
Keine Sanktionen bei Verstößen
Bei Verstößen gegen diese Ziele gibt es allerdings keine harten Konsequenzen wie Embargos, Geldbußen und dergleichen. Wie es auf einer FAQ-Seite der Vereinten Nationen zu dem Thema heißt, „[a]ny short-term time gain will be short-lived. It will undoubtedly be overshadowed by negative reactions, by other countries, financial markets, and most important, by their citizens.“ Ebenso ist das Übereinkommen eine Verflechtung aus verbindlichen – dem Kern des Abkommens – und unverbindlichen Regeln: Ein „Hybrid“ aus genuinen Pflichten und „soft law.“
Und Brasilien?
Womit wir beim Ausgangspunkt angelangt wären: Brasilien und die Brände im Amazonas-Regenwald. Zwar wurde im Abkommen zwischen der EU und den Mercosur-Ländern die Teilnahme am Pariser Klimaabkommen eigens festgelegt. Wie wir aber soeben gesehen haben, bedeutet das für sich genommen nicht viel. Ungleich bedeutsamer sind die von Brasilien festgelegten Anstrengungen/Klimaziele selbst und daneben die Frage, was bei einem Verstoß passiert.
In der grauen Theorie wären das unilaterale oder gar weltweite (durch den UN-Sicherheitsrat verabschiedete) Sanktionen. Im Extremfall gar, wie im eingangs erwähnten Artikel gefordert, eine militärische Intervention. Eine solche müsste vom Sicherheitsrat genehmigt werden – ein (wie auch der Gedanke militärischen Vorgehens selbst) äußerst unrealistisches Szenario.