Trotz Corona-Virus darf man auch die jüngste Eskalation im Syrienkrieg nicht ignorieren.
In Syrien/Idlib wurden gestern 33 türkische Soldaten durch Luftangriffe von Assads Armee getötet, eine Eskalation mit Russland wird befürchtet und die NATO trifft sich zu Friedensgesprächen.
NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg drückte daraufhin die Solidarität mit der Türkei aus und ruft zur Einhaltung des Völkerrechts auf. Die NATO gelobt dabei auch, die türkische Verteidigung zu Luft zu verbessern. (Link)
Allies condemn the continued indiscriminate air strikes by the Syrian regime and Russia in Idlib province. I call on them to stop their offensive. To respect international law. And to back UN efforts for a peaceful solution. This dangerous situation must be deescalated and we urge an immediate return to the 2018 ceasefire. To avoid further worsening of the horrendous humanitarian situation in the region. And to allow urgent humanitarian access for those trapped in Idlib. Today’s meeting is a clear sign of solidarity with Turkey. Turkey is a valued NATO Ally and Turkey is the NATO Ally most affected by the terrible conflict in Syria, which has suffered the most terrorist attacks, and which hosts millions of refugees. NATO continues to support Turkey with a range of measures. Including by augmenting its air defences. This helps Turkey against the threat of missile attacks from Syria.
Ebenso hat der deutsche Außenminister die Angriffe Assads und Russlands verurteilt und „unser Mitgefühl“ für „unsere türkischen Partner“ ausgedrückt.
Die Türkei handelt in Syrien völkerrechtswidrig
Das Problem dabei: Die Türkei kann sich auf keine hinreichend akzeptierte Rechtsgrundlage berufen, ihre Präsenz in Syrien verstößt gegen das Gewaltverbot und ist damit völkerrechtswidrig (siehe dazu schon das erste Gutachten der wissenschaftlichen Dienste beim deutschen Bundestag aus dem Jahr 2018).
Wenn die NATO die Einhaltung des Völkerrechts fordert, kann sie damit folglich nur das Recht bewaffneter Konflikte meinen (das für alle gilt, für Aggressoren gleichfalls wie für Staaten, die sich verteidigen). Angesichts der Rechtswidrigkeit des türkischen Vorgehens wirkt ihre Stellungnahme dennoch zynisch.
Flüchtlinge als Pokerchips
Meanwhile hat die Türkei ihre Grenzen nach Europa geöffnet und karrt Flüchtlinge an die Grenze, im türkischen Fernsehen sieht man Liveschaltungen zu Booten auf dem Weg nach Griechenland.
Einmal mehr setzt die Türkei also Flüchtlinge als Druckmittel ein, um Unterstützung aus Europa zu bekommen. Wie diese aussehen soll ist derzeit noch offen. Ebenso hat die Türkei offiziell bekanntgegeben, die Flüchtlingspolitik nicht ändern zu wollen – double talk könnte man sagen. Griechenland hat übrigens reagiert und seinerseits einen Grenzübergang zur Türkei geschlossen.
NATO-Dilemma
Weil, wie oben angedeutet, kein Fall von legitimer Selbstverteidigung vorliegt, kann die Türkei von ihren Bündnispartnern keine Unterstützung gegen einen Angriff von außen im Sinne von Artikel 5 des NATO-Vertrags einfordern.
Die NATO steht damit vor dem Dilemma, Solidarität für einen Bündnispartner mit ihrem eigentlichen Zweck als Verteidigungsbündnis zu vereinbaren. Hinzu kommt, dass die Türkei in Syrien radikale islamistische Gruppen unterstützt, allen voran Ahrar al-Sham und Faylaq al-Sham – auch Russland hat den Angriff auf die türkischen Soldaten damit gerechtfertigt, dass sie „in Gegenwart von Terroristen“ unterwegs waren. It’s a mess.