Asyl statt Krieg

Ein russischer Staatsbürger, der nach seiner Einberufung nach Östereich geflohen ist, bekommt vom Innenministerium kein Asyl. Eine Abschiebung ist dennoch nicht möglich: weder faktisch noch rechtlich.

Ein russischer Staatsangehöriger hat in Österreich Asyl beantragt, weil er nicht gegen die Ukraine kämpfen will. Asyl wurde ihm jetzt jedoch – erstinstanzlich – verweigert:

„Es können keine stichhaltigen Gründe für die Annahme festgestellt werden, dass“ der Betroffene Gefahr läuft, „in der Russischen Föderation einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr (sic!)“ unterworfen zu werden, heißt es in der Begründung des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (eine dem Innenministeriums untergeordnete Behörde. fyi).

Umgang mit Kriegsdienstverweigerern und Deserteuren

Allgemein können Staaten ihre Staatsangehörigen zwar dazu verpflichten, Kriegsdienst zu leisten, also sie ausbilden und gegebenenfalls auch einsetzen. Das ist auch menschenrechtlich anerkannt, entsprechende Passagen finden sich in den einschlägigen Menschenrechts-Artikeln (etwa Artikel 4 Absatz 3 Europäische Menschenrechtskonvention, kurz EMRK).

Als Kriegsdienstverweigerer bekommt man alleine deswegen nicht per se Asyl, ganz im Gegenteil. Um als Flüchtling anerkannt zu werden, muss man aufgrund der Zugehörigkeit zu einer ethnischen, religiösen, sozialen, „rassischen“ oder nationalen Gruppe oder aufgrund seiner politischen Ansichten verfolgt werden. Kriegsdienst ist für sich genommen keine Verfolgung.

Wenn jemand sich die Einberufung und damit den Kriegsdienst verweigert und obendrein – wie im Fall des Antragstellers – dabei religiöse und buddhistische Gründe anführt, kann das einen Asylgrund darstellen. Selbst wenn ihm zum Zeitpunkt der Flucht keine Verfolgung im typischen Verständnis der Gender Flüchtlingskonvention drohte, hat sich das mittlerweile geändert: Ein Kriegsdienstverweigerer hat gewissermaßen Russland „verraten“. Obendrein hat er sich öffentlich (durch das Zitat in den Zeitungen) und vor den Behörden eines fremden Staats – Österreich – gegen den Krieg ausgesprochen. Seine Abschiebung ist damit rechtlich unmöglich – zu groß das Risiko der Verfolgung und unverhältnismäßig harter Strafen ohne fairem Verfahren bei seiner Rückkehr. Unabhängig vom Flüchtlingsstatus darf er also nicht abgeschoben werden.

Krieg ist nicht gleich Krieg: Selbstverteidigung und Aggression

Hinzu kommt, dass Aggressoren – und ein solcher ist Russland zweifelsohne, siehe dazu die einschlägigen Resolutionen der UNO-Generalversammlung – ihre Staatsbürger dazu verpflichten, an einer der schwerwiegendsten Völkerrechtsverletzungen teilzunehmen: einem Angriffskrieg.

Alleine deswegen ist Kriegsdienstverweigerung kein „illoyaler“ oder „unpatriotischer“ Akt, sondern das Gegenteil: Wen eine ausreichende Zahl von Russen das tun würde, gäbe es diesen Krieg gar nicht oder zumindest nicht in dieser Form. Leichter gesagt als getan. Aber gesagt gehört es.

Hinzu kommt, dass Russland unverhältnismäßig viele Angehörige ethnischer Minderheiten aus ärmeren Regionen in den Krieg schickt, während „weiße“ Russen aus Großstädten weniger stark betroffen sind. Der Antragsteller, um den es hier geht, gehört der Gruppe der Burjaten an, die russische Republik Burjatien liegt an der Grenze zur Mongolei.

Dazu kommt die faktische Ebene: Schließlich müsste Österreich mit den russischen Behörden zusammenarbeiten, ihnen also einen Staatsbürger übergeben, der entweder im Krieg eingesetzt und/oder jahrelang eingesperrt wird. Das würde faktisch auf eine Unterstützung des Krieges hinauslaufen, von Österreich ausgehende abschreckende Wirkung für andere Kriegsdienstverweigerer und Deserteure (durch die Botschaft, nirgendwo vorm Krieg sicher zu sein) inklusive. Alleine die Verweigerung des Flüchtlingsstatus hilft Russland bereits, die „kein Asyl im Westen“-Botschaft an andere junge Männer ist eindeutig.

Ein Nachsatz

Zur Art des Krieges selbst findet sich ein weiteres umstrittenes Zitat von Seiten des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl: „Auch kann die Behörde nicht davon ausgehen, dass die russische Armee systematische Menschenrechts- bzw. Völkerrechtsverletzungen begeht.“

Das ist bemerkenswert. Es gibt kaum einen Krieg, in dem das völkerrechtswidrige Vorgehen des Aggressors dermaßen gut dokumentiert wurde. Nachdem das anscheinend noch immer nicht überall – nichteinmal bei einer Behörde des Innenministeriums (!) – angekommen ist, seien zum Ende noch die letzten Feststellungen des UNO-Menschenrechtsrats zu den russischen Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen in der Ukraine zitiert:

Russian authorities have committed a wide range of violations of international human rights law and international humanitarian law in various regions of Ukraine, many of which amount to war crimes, the Independent International Commission of Inquiry on Ukraine said in a new report Thursday. The war crimes include attacks on civilians and energy-related infrastructure, wilful killings, unlawful confinement, torture, rape and other sexual violence, as well as unlawful transfers and deportations of children. The Commission’s evidence shows that in areas that came under their control, Russian authorities have committed wilful killings of civilians or persons not involved in fighting (hors de combat), which are war crimes and violations of the right to life.

Quelle

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