Hamas und Terror

Die Hamas hat Israel und seine Bevölkerung angegriffen, Unschuldige verschleppt, getötet und das alles offen zur Schau gestellt, es kursieren grausame Bilder und Videos von Angriffen auf Zivilisten. Für die Berichterstattung stellt sich die Frage nach der richtigen Wortwahl. Daher ein paar völkerrechtliche Anmerkungen. Eines vorweg: Die Hamas ist eine terroristische Organisation. Daneben kommen je nach Situation aber weitere Begriffe zur Anwendung: „nichtstaatliche bewaffnete Gruppe“, „Kämpfer“ und „quasi-facto-Regime“.

Terrorismus

Die Handlungen der Hamas und ihre gesamte Ideologie fallen unter diesen Begriff, sie wird auch von der EU und den USA als Terrorgruppe eingestuft und sanktioniert. Völkerrechtlich ist Terrorismus im Übrigen nicht so undefiniert wie manche denken. Es stimmt zwar, dass es keine universelle vertragliche Definition gibt. Wohl aber lässt sich aus der Praxis eine ableiten (siehe dazu Ben Saul, Defining Terrorism in International Law): massive, außerhalb von bewaffneten Konflikten eingesetzte und ideologisch, politisch oder ethnisch motivierte Gewalt zur Einschüchterung der Bevölkerung oder Zwangsausübung gegen eine Staatsgewalt oder eine internationale Organisation. Das liegt bei der Hamas eindeutig vor. Siehe dazu auch die Definition des High-Level Panel on Threats, Challenges, and Change der Vereinten Nationen aus dem Jahr 2004:

any action . . . that is intended to cause death or serious bodily harm to civilians or non-combatants, when the purpose of such an act, by its nature or context, is to intimidate a population, or to compel a Government or an international organization to do or to abstain from doing any act

Quelle

„(nichtstaatliche) bewaffnete Gruppe“

Das ist der allgemeine Begriff für private Gewaltakteure im Recht bewaffneter Konflikte. Er wird auch für die Hamas verwendet, weil jede terroristische Organisation während laufender Konflikte eine „nichtstaatliche bewaffnete Gruppe“ ist. Umgekehrt sind „nichtstaatliche bewaffnete Gruppen“ nicht automatisch terroristisch.

Die an Konflikten aktiv teilnehmenden Mitglieder einer solchen Gruppe werden oft als „Kämpfer“ („fighters„) bezeichnet. Sie sind eben keine Kombattanten, weil ihnen jegliche Legitimität fehlt. Dementsprechend profitieren sie auch nicht von den Rechten für Kriegsgefangene und können strafrechtlich verfolgt werden. Bei Kombattanten ist die bloße Teilnahme an Kampfhandlungen wiederum nicht strafbar. Sie haben „nur ihre Pflicht“ (als Staatsbürger) getan. Bestrafungen wegen Kriegsverbrechen sind natürlich möglich.

Der Begriff der „fighter“ wird in Bezug auf die Hamas auch vom Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) verwendet, das für ihre Mitglieder Seminare im Kriegsrecht abgehalten hat. Das Ziel dahinter war, sie wenigstens mit diesen Regeln (die sie in der Praxis freilich missachten) vertraut gemacht zu haben. Niemand soll sagen können, er habe es nicht gewusst. Dabei erklärt das IKRK die Abhaltung des Seminars selbst und seine Wortwahl – es hat unter Rückbezug auf seine Neutralität den Begriff des Terrorismus vermieden – folgendermaßen:

We are not teaching “table manners to the Taliban” as mentioned in the column. Nor peace, democracy or social and civil rights. Not to the Taliban, nor to the IDF, nor the Sudanese army, nor to US forces for that matter. But we do inform them about the rules of war and engage with them on ways to respect them. Likewise, we do not endorse “terrorism” labels issued by political entities. Neutrality also means recognizing that someone’s terrorist is someone else’s freedom fighter.

https://blogs.icrc.org/ilot/2015/09/08/why-is-the-icrc-holding-seminars-on-the-law-of-war-with-hamas/

Eine kurze Anmerkung meinerseits: Ich halte den Slogan in diesem Kontext für unangebracht. Die Hamas ist viel mehr Terror- als „Befreiungsorganisation„. Wenn sie überhaupt eine ist.

Quasi-de-facto-Regime

Das ist die Bezeichnung im Kontext der Rolle der Hamas im Inneren des Gazastreifens, den sie verwaltet bzw. kontrolliert. Ein „de-facto-Regime liegt vor, wenn ein Gebiet längere Zeit unter staatsähnlicher Herrschaft steht, ohne dass diese anerkannt wird, etwa durch diplomatische Kontakte und dergleichen. Das „quasi“ zielt darauf ab, dass die Hamas im Gegensatz zu typischen de-facto-Regimen – etwa Taiwan oder Somaliland – (wie gesagt) eine Terrorgruppe ist und daher unterschieden werden muss. De facto-Regime genießen ein gewisses Maß an Legitimität, manchen zufolge sogar Schutz vor bewaffneten Angriffen. Das liegt bei der Hamas nicht vor.

Man kann – aus guten Gründen – schärfere Begriffe bevorzugen beziehungsweise ausschließlich von Terrorismus sprechen. Das Völkerrecht ist hier bewusst zurückhaltend, weil es nunmal der kleinste gemeinsame Nenner unter Staaten und sonstigen internationalen Akteuren ist. Das mag manchmal unbefriedigend sein. Aber da fängt dann die Politik an.

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