Die österreichische Polizei bekommt neue Munition, sogenannte Teilmantelgeschosse. Solche Munition ist in Kriegen verboten, in Friedenszeiten aber nicht. Das klingt allerdings absurder als es wirklich ist. Unproblematisch ist sie dennoch nicht.
[Update vom 10. Mai 2020: Mittlerweile wurde die Munition bereits geliefert, die Polizei schießt also schon damit]
Teilmantelgeschosse verformen sich im Körper, was zu schwereren Verletzungen und öfter zum Tod führt als die Verwendung „normaler“ Projektile. Gleichzeitig haben sie dadurch eine hohe „Mannstoppwirkung“ was Polizisten, gefährdete Personen und Unbeteiligte besser schützt. Konventionelle Munition erfordert bei hochaggressiven Menschen oftmals die Abgabe von mehreren Schüssen, ja ein regelrechtes „Durchsieben“ – Beispiele sind etwa hier oder hier zu finden (danke an Stephan Frank für den Hinweis).
Irritierenderweise sind Teilmantelgeschosse in bewaffneten Konflikten/Kriegen allerdings dennoch verboten: wegen dem völkerrechtlichen Grundsatz, Kombattanten kein unnötiges Leid und überflüssige Verletzungen zuzufügen (siehe dazu insbesondere die Haager Landkriegsordnung).
Zu Friedenszeiten gilt dieses Verbot allerdings nicht. Was streng genommen bedeutet, dass Zivilisten, mögen sie auch Straftäter sein, weniger Schutz genießen als Soldaten. Das ist allerdings weniger widersprüchlich als man meinen mag:
- das Abfeuern solcher Munition mit einer Pistole hat eine geringere Wirkung als, wie in Konflikten üblich, mit Gewehren; außerdem ist die Munition nicht ganz dieselbe
- während im Krieg jeder Kämpfer ein legitimes Ziel darstellt, gelten für Polizisten strenge Regeln für den Einsatz von Schusswaffen (in Österreich das Waffengebrauchsgesetz 1969)
- die medizinische Versorgung von Betroffenen ist zu Friedenszeiten im Regelfall besser
- es gibt auch andere Waffenarten, die nur im Krieg verboten sind (zB Tränengas, das unter das Verbot von Chemiewaffen fällt)
- bei Teilmantelgeschossen erfolgt kein Durchschuss, sie bleiben im Körper des Getroffenen stecken. Daher bieten sie im Zusammenhang mit Massenunruhen oder Geiselnahmen besseren Schutz von Unbeteiligten.
Dennoch gilt es, wachsam zu bleiben. Im allgemeinen Polizeidienst ist ihr Einsatz allen Vorteilen zum Trotz höchst umstritten, in der Schweiz ist er daher auf Ausnahmesituationen beschränkt:
– für Polizeieinsätze gegen schwere Gewalttäter, insbesondere Geiselnehmer, wenn sich die Verwendung aus taktischen Gründen aufdrängt und wenn sie auf die besondere Anordnung eines Polizeioffiziers erfolgt;
– für die Erfüllung von Polizeiaufgaben in lokal begrenzten Einsatzräumen, zum Beispiel in Flugzeugen und in Flughafengebäuden, in denen die Verwendung von Vollmantelgeschossen mit unverhältnismässig hohen Gefahren für unbeteiligte Dritte verbunden wäre;
– für den Nahschutz gefährdeter Personen.
[Update vom 11. Mai: „Bei der schweizerischen Polizei und der Grenzwacht … seit einigen Jahren flächendeckend 9mm Munition mit einem Deformationsgeschoss verwendet. Im Einsatz ist Munition der Fa. RUAG Ammotec, 9mm Para Action 4“, wie mir eine Sprecherin des Innenministeriums mitteilte.]
In Österreich richtet sich der Schuswaffengebrauch nach dem Waffengebrauchsgesetz (insbesondere §§ 2 und 7), er ist ganz allgemein nur als „letztes Mittel“ (ultima ratio) gestattet. Allerdings gibt es laut Auskunft aus dem Innenministerium eine allgemeine Munition für sämtliche Dienstwaffen, ohne Unterscheidung nach Gefahrenlage (nicht zuletzt aus praktischen Gründen, theoretisch müsste man je nach Situation ent- und neu laden oder gar mehrere Dienstwaffen bei sich führen).
Für Näheres zum Thema Teilmantelgeschosse sieht außerdem auch dieses Video von der deutschen Bundeswehr: