Freihandel und Klimawandel

Vor gut 200 Jahren formulierte David Ricardo eines der zentralsten Argumente für den Freihandel: Die Theorie des Komparativen Kostenvorteils. Seitdem hat sich die Welt jedoch stark gewandelt. Unter anderem muss der globale Warenhandel mit dem Kampf gegen den Klimawandel ausbalanciert werden. Seltsamerweise scheint dieser zentrale Punkt bei den Debatten rund um CETA und TTIP relativ wenig Beachtung zu finden.

In a nutshell besagt der komparative Kostenvorteil, dass jedes Land das produzieren soll, worin es am besten (effizientesten) ist. Selbst wirtschaftlich schwächere Länder finden so ihre Nische, weil es den stärkeren, die theoretisch gar alles besser produzieren können, nichts bringt, alles selbst herzustellen. Oder, um es mit wikipedia zu sagen, sagt sie,

„dass der internationale Handel auch dann Kostenvorteile für ein Land bringen kann, wenn diese Nation bei der Herstellung sämtlicher Produkte über absolute Kostennachteile verfügt, das andere Land entsprechend über absolute Kostenvorteile. Damit wird theoretisch begründet, dass grenzüberschreitende Tauschprozesse die Wohlfahrt beider Handelspartner steigern. Der komparative Kostenvorteil besteht im Rahmen der volkswirtschaftlichen Theorie, wenn ein Land, eine Region, ein Unternehmen oder eine Person fähig ist, ein bestimmtes Gut zu geringeren Alternativkosten (Opportunitätskosten) zu produzieren als die Konkurrenz.“

Die Industrielle Revolution

Zur Zeit Ricardos war die Welt freilich eine andere, befand sie sich doch erst in einer Frühphase der Industriellen Revolution und der damit einhergehenden Globalisierung, als aufgrund der französischen Kontinentalsperre von 1807-1814 englische Baumwolle nach Amerika und Asien umgelenkt wurde, im Verlaufe des 19. Jahrhunderts wurden ferne Märkte (oft unter massivem militärischem Druck) erschlossen.

Das Umweltrecht und damit die Frage, ob und inwiefern man es gutheißt, wenn Waren um die halbe Welt transportiert werden, spielte damals noch keine Rolle. Im 18. Jahrhundert gab es schließlich lediglich Verträge zur gemeinsamen Nutzung beziehungsweise dem Schutz von grenzübergreifenden Wasserressourcen (so etwa im aus dem Jahr 1754 stammenden Grenzvertrag zwischen Österreich und Venedig). Auch das völkerrechtliche Nachbarschaftsrecht, das ein gewisses Maß übersteigende grenzüberschreitende Umweltbeeinträchtigungen verbietet, bildete sich erst im späteren 19. Jahrhundert heraus. Der erste internationale Schiedsspruch zu dieser Frage sollte überhaupt erst im 20. Jahrhundert folgen (der Trail Smelter-Fall zwischen den USA und Kanada von 1938).

Der Beginn des Umweltrechts

Die Umweltrechtsbewegung erhielt erst in der zweiten Häfte des 20. Jarhunderts entscheidenden Auftrieb. Anlass war unter anderem eine Studie zur Schädlichkeit von Pestizien, die Ölpest nach dem Sinken der „Torrey Canyon“ oder die verstärkte wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Phänomen des „sauren Regens.“ Neben den Helsinki-Regeln zur Nutzung grenzüberschreitender Flüße von 1966 ist hier insbesondere die Umweltkonferenz von Stockholm im Jahr 1972 zu nennen. Dabei wurde ein Aktionsplan erstellt und eine gemeinsame Erklärung abgegeben, die eine Reihe unverbindlicher umweltrechtlicher Prinzipien beinhaltete.

In den darauffolgenden Jahren folgten zahlreiche umweltvölkerrechtliche Abkommen aller Art. Von entscheidender Bedeutung war der Brundtland-Bericht aus dem Jahr 1987, der das Konzept der nachhaltigen Entwicklung prägte. Nachhaltige Entwicklung wird darin folgendermaßen definiert:

Sustainable global development requires that those who are more affluent adopt life-styles within the planet’s ecological means – in their use of energy, for example. Further, rapidly growing populations can increase the pressure on resources and slow any rise in living standards; thus sustainable development can only be pursued if population size and growth are in harmony with the changing productive potential of the ecosystem.

Dieser Grundgedanke sollte auch die im Zuge der Konferenz von Rio de Janeiro im Jahr 1992  verabschiedete Rio Declaration maßgeblich prägen. In Bezug auf dem Klimawandel im Besonderen folgte fünf Jahre später das Kyoto-Protokoll, jüngst (2015) das Pariser Abkommen, das vom Guardian als „the world’s greatest diplomatic success“ bezeichnet wurde.

Heute gilt es also mehr denn je, das richtige Verhältnis zwischen internationalem Handel und umweltrechtlichen Belangen zu finden. Dementsprechend spricht das Gründungsdokument der WTO in seiner Präambel neben der Erhöhung des Lebensstandards auch davon

the optimal use of the world’s resources in accordance with the objective of sustainable development, seeking both to protect and preserve the environment and to enhance the means for doing so in a manner consistent with their respective needs and concerns at different levels of economic development,

gestatten zu wollen. Neben der Möglichkeit für ihre Mitglieder, zum Schutz der Umwelt handelsbeschränkende Maßnahmen vorzunehmen (Artikel XX GATT) betont die WTO auch ihre Rolle in der Bekämpfung des Klimawandels. Auf ihrer Website thematisiert sie den Zusammenhang zwischen Handel und der Emission von Treibhausgasen auf ihrer Website mit den folgenden Worten:

One concern about trade’s role in greenhouse gas emissions is its link to transportation services. International trade involves countries specializing in and exporting goods in which they have a comparative advantage and importing other goods from their trade partners. This process of international exchange requires that goods be transported from the country of production to the country of consumption. So international trade expansion is likely to lead to increased use of transportation services. […]

Insofern liegt die (Rück-)Besinnung auf lokale/regionale Produkte und kleinere Handelsräume auch am Aufstieg des Umweltrechts. Das Verschiffen von Waren und Produkten aller Art um den halben Globus spießt sich mit dem Kampf gegen den Klimawandel. Ein im Zuge der Debatten rund um CETA und TTIP interessanterweise relativ selten thematisierter Punkt. Vielleicht ruft er aber auch einfach nur weniger Emotionen hervor als Schiedsgerichte oder (die mittlerweile freilich wieder in Vergessenheit geratenen) Chlorhühner.

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