Büchertipps für Weihnachten

Alle Jahre wieder die Frage, was man schenken oder bekommen will. Daher ein paar Literaturempfehlungen für Freunde der (internationalen) Politik.

[Eigenwerbung]: Soeben ist die dritte Auflage unseres Lehrbuchs Völkerrecht verstehen erschienen. Vieleicht auch eine Geschenkidee [/Eigenwerbung]

Ben Rhodes, After the Fall: Being American in the World We’ve Made (keine deutsche Übersetzung)

Ben Rhodes war Redenschreiber unter Barack Obama, heute betreibt er unter anderem einen Podcast zu aktuellen der Fragen Weltpolitik (Pod Save the World – auch hier eine Empfehlung!) und schreibt eben Bücher. Sein erstes habe ich in diesem Blog bereits als Geschenkidee empfohlen, das zweite steht ihm in Sachen Qualität um nichts nach.

Rhodes beschreibt darin die Welt, die unter der US-Vorherrschaft nach dem Kalten Krieg – der Kolumnist Charles Krauthammer sprach von einem „unipolar Moment“ – entstanden ist. Also nachdem die Sorge vor der Sowjetunion und Totalitarismus als „organizing principle“ weggefallen ist. Mit allen pros und eben den vielen cons: Von Polarisierung mitsamt hate speech und fake news über personenzentrierte Regime (Türkei, Belarus, Russland, …), Finanzkrise, identitity politics (wir gegen euch!) bis hin zum demokratischen Populismus der Marke Trump (wir sind das Volk!). Dazu kommen eigene Abschnitte zu Russland/Putin, der zu schwach ist, um die Welt mitzugestalten, aber es dem Rest zumindest schwer machen kann (ein Spoiler also), sowie dem dystopischen China. So fragt Rhodes am Ende einmal mehr fragen, wer wir sind, was wir tun, und was wir wollen. Und er selbst ist erfrischend idealistisch (Zynismus gibt es auf Twitter und in Kommentarspalten ohnehin im Überangebot): Wer der Meinung ist, es würde nichts bringen, Dinge wie Menschenrechte oder Demokratie zu erhalten und dafür zu kämpfen, hat schon verloren.China und Russland sind vor allem dann stark, wenn der „Westen“ schwach – oder eben fatalistisch – ist.

Allesamt Themen, mit denen wir fortwährend zu tun haben. Keine extravagante These, vielmehr eine Art Übersicht und Warnung. Manchmal realisiert man Dinge eben erst oder umso mehr, wenn sie jemand mit (a) Expertise und (b) einer stilvollen Feder bespricht.

If you do believe in a sense of common humanity, if you do believe there is irreducible dignity in the identity of every person, then you cannot succumb to a fatalism that human beings are destined for a manufactured package of self-serving nationalism and state-controlled prosperity, numbed and monitored by technology. Nor can you restrict your concerns to your own narrow definition of identity.. You have to begin from an uncompromising and unshakable belief: This is not who we are.

Ben Rhodes

Thomas Buergenthal, A Lucky Child. A Memoir of surviving Auschwitz as a Young Boy mit einem Vorwort/Ein Glückskind von Elie Wiesel (Little, Brown and Company 2007/2009)

Es ist eine Geschichte, wie sie das Leben schreibt, aber eigentlich nicht schreiben sollte. Thomas Bürgenthal hat als jüdisches Kind Auschwitz überlebt, wo er unter anderem auf den Sohn des ersten Flüchtlingskommissars Fridtjof Nansen stieß, der ihn später unterstützte (in Nansens Heimatland Norwegen wurde Buergenthal aufgrund einer Erzählung über sein Schicksal einer breiten Öffentlichkeit bekannt), mehrere Zehen bei einem Todesmarsch durch erfrieren verloren und wurde später Jurist mit Schwerpunkt Menschenrechte und Richter am Internationalen Gerichtshof – also gewissermaßen der Olymp für Völkerrechtler.

Eine Autobiographie, die einen sprachlich, aber auch emotional stark mitnimmt (Buergenthal schreibt davon, dass ihm bei der Erzählung des Wiedersehens mit seiner Mutter nach Ende des Zweiten Weltkriegs immer noch Tränen kommen) und unweigerlich auch eine Warnung. Wer allgemein oder nach East West Street von Philippe Sands sein Interesse am traurigen Zusammenspiel zwischen dem Holocaust und Menschenrechten entdeckt hat, sollte dieses Buch lesen.

It frightens me terribly that the individuals committing these acts are for the most part not sadists, but ordinary people who go home in the evening to their families, washing their hands before sitting down to dinner, as if what they had been doing was just a job like any other. If we humans can so easily wash the blood of our fellow humans off our hands, then what hope is there for sparing future generations from a repeat of the genocides and mass killings of the past? Was the Holocaust merely a practice run for the next set of genocides of other groups of human beings? … These reflections might turn me into a cynic or have the effect of making me give up on my human rights work. But they do not have that effect. While I do not believe that I survived the Holocaust in order to devote my life to the protection of human rights, I believe that, having survived, I have an obligation to try to do all I can to spare others, wherever they might be, from suffering a fate similar to that of the victims of the Holoaust. It should therefore not be a surprise to anyone that the terrible crimes and cruelties experienced by human beings in many parts of the world since the Holocaust do not weaken my commitment to human rights. Instead, they reinforce my belief in the need to work ever harder to promote human rights education at all levels and to strengthen international and national legal and political institutions capable of making it ever more difficult for governments to violate human rights.

Thomas Bürgenthal

Yaa Gyasi, Homegoing/Heimkehren (Random House 2016)

Zum Abschluss noch eine Romanempfehlung – wiewohl Gyasis schriftstellerisches Debüt politischer nicht sein könnte – nicht viele Romane haben im Nachwort ein kleines Quellenverzeichnis – handelt es doch von den generationenübergreifenden Auswirkungen der Sklaverei. Anhand von zwei Stammbäumen verfolgt der Leser einzelne Ausschnitte aus Lebensgeschichten und unterschiedlichen geschichtlichen Perioden, die gemeinsam ein großes Schicksal ergeben. So macht Gyasi einen langen Streifzug mit verschiedenen ökonomischen und sozialen Akteuren: britische Kolonialherren und ihrer „Zusammenarbeit“ mit Stammesführern, die sich gegenseitig bekriegen, die Exotisierung und Vergewaltigung dunkelhäutiger Frauen und Identitätsfragen für „mixed race“ Kinder, Baumwollplantagen auf den Südstaaten, Menschen, die trotz ihrer schwarzen Vorfahren als weiß genug wahrgenommen werden, um ein Leben als Weißer zu führen (trotz der „one drop rule“, derzufolge ein einziger dunkelhäutiger Vorfahre gilt, um als schwarz zu gelten), Drogenmissbrauch. Ein emotional mitnehmendes Buch, das vor Augen führt, wie der lange Atem der Sklaverei bis heute nachwirkt und ihre Abschaffung alleine ein wesentlicher, aber eben beileibe kein ausreichender Schritt war.

For Sonny, the problem with America wasn’t segregation but the fact that you could not, in fact, segregate Sonny had been trying to get away from white people for as long as he could remember. But, as big as this country was, there was nowhere to go. Not even Harlem, where white folks owned just about everything an eye could see or a hand could touch. What Sonny wanted was Africa … The problem was that in practice things didn’t work the way they did in theory. The practice of segregation still meant that Sonny had to see white people sitting at the front of every bus he took, that he got called „boy“ by every other snot-nosed white kid in sight. The practice of segregation meant that he had to feel his separateness as inequality, and that was what he could not take.

Yaa Gyasi, Homegoing

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